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Mit der Geduld am Ende

Bolivien: Regierung Morales verstaatlicht die drei wichtigsten Flughäfen

Von Benjamin Beutler *

Boliviens Linksregierung setzt weiter auf Verstaatlichung. Am Montag rückten schwerbewaffnete Armeeeinheiten in die Flughäfen von El Alto, Cochabamba und Santa Cruz ein. Als Zeichen der Inbesitznahme hißten Uniformierte die bolivianische Trikolore. Kurz zuvor hatte Präsident Evo Morales die »Nationalisierung des Aktienpaketes« der Betreiberfirma »Sabsa« der drei wichtigsten Flughäfen des Landes bekanntgegeben. »Es gibt keine Verbesserungen, keine Investitionen, keinen Flughafenausbau«, begründete der Chef der regierenden »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) die Enteignung der Flughafenbetreiberfirma. Per Präsidialdekret geht das Aktienpaket von 66474 Sabsa-Papieren auf den bolivianischen Staat über, der sofort Millioneninvestitionen ankündigte. Den bisherigen Mehrheitseignern, dem Infrastrukturunternehmen »Abertis« und dem öffentlichen Flughafenbetreiber »AENA« aus Spanien, werde innerhalb von drei Monaten »eine gerechte Entschädigung« gezahlt. Wobei eine unabhängige Beraterfirma die genaue Höhe bestimmt, informierte die Nachrichtenagentur ABI.

Die Reaktion aus Spanien ließ nicht auf sich warten. Den Schritt von La Paz werte man als »nicht freundschaftlichen Akt, der sich in eine Kette ähnlicher Maßnahmen gegen spanische Unternehmen in Bolivien reiht«, hieß es aus dem Außenministerium in Madrid. Für Mittwoch wurde Boliviens Botschafterin Carmen Almendras einbestellt. Der Ton zwischen beiden Nationen verschärft sich. Innerhalb eines Jahres ist das die dritte Verstaatlichung von Firmen mit spanischer Kapitalmehrheit. Im Mai letzten Jahres hatte der Palacio Quemado den heimischen Netzbetreiber TDE verstaatlicht. Dieser war fast zu 100 Prozent Aktienbesitz des spanischen Energienetzbetreibers REE. Anfang 2013 dann übernahm Bolivien vier Energiefirmen, die Teil des spanischen Stromerzeuger-Riesens Iberdrola waren.

Am Dienstag kündigte Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo an, Madrid werde auf diplomatischem Parkett alle möglichen Mittel »in Bewegung setzen«. Vor dem EU-Parlament in Brüssel wolle er die »Aggression« gegen ein europäisches Unternehmen zur Sprache bringen, so der Minister am Rande einer Werbe­veranstaltung für die »Marke Spanien«. Doch drückte García-Margallo auch auf die Bremse. Die Verstaatlichung »sei keine antispanische Tat«, sondern Ad-hoc-Ergebnis bolivianischer Tagespolitik. Jedes Mal, wenn Präsident Morales »auf innenpolitische Schwierigkeiten stößt, enteignet er ein ausländisches Unternehmen«, lautete seine Interpretation.

Diese Sichtweise läßt sich kaum aufrechterhalten. »Wir sind einverstanden mit der Nationalisierung«, erklärte etwa Boris Terceros von der Sabsa-Arbeitnehmervertretung. Die rund 800 Arbeiter seien es gewesen, die »bei der Staatsanwaltschaft wegen illegaler Bereicherung Klage eingereicht haben«, beschreibt Terceros horrende Managergehälter, Korruption und Mißmanagement auf den Airports. Gegen die These einer kopflosen Nationalisierung spricht auch die Vorgeschichte. Seit drei Jahren habe die Regierung versucht, »mit dem Unternehmen zu einer Einigung zu kommen, vergeblich. Darum jetzt das Nationalisierungsdekret«, so Morales. Versprochene Arbeiten in den zuletzt völlig überfüllten Flughäfen seien systematisch verschleppt worden. 2005 hatte Sabsa Investitionen von 53,4 Millionen US-Dollar bis zum Auslauf der Betreiberlizenz 2022 zugesagt. Davon sind bis heute nur fünf Millionen US-Dollar geflossen. Überhaupt war die Privatisierung des Flughafenbetriebs in den 1990er Jahren für ausländische Kapitaleigener ein Riesengeschäft. Der Preis für die damals verscherbelte Infrastruktur, die mehrmals den Besitzer wechselte, sei um über 2000 Prozent gestiegen, so offizielle Zahlen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. Februar 2013


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