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Indigene Rivalen von Evo Morales

Von Benjamin Beutler *

In neun Monaten wählt Bolivien einen neuen Präsidenten. Klarer Favorit für den 6. Dezember ist Staatschef Evo Morales von der Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS), auch wenn die Opposition indigene Gegenkandidaten aufbietet.

Eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten wird durch Boliviens neue Verfassung ausgeschlossen. Doch am 6. Dezember darf der seit 2006 regierende Evc Morales noch einmal kandidieren. Trotz eines Korruptionsskandals in der staatlichen Gas- und Erdölfirma kann Morales weiter mit dem breiten Rückhalt der ursprünglichen Bevölkerung des Landes rechnen. Immerhin 70 Prozent der Bolivianer bekennen sich zu indigener Abstammung.

Die Legislaturperiode endet Ende 2010, doch erfordert die zu Jahresbeginn per Referendum (61 Prozent Zustimmung) angenommene Verfassung Neuwahlen. Und so ist im südamerikanischen Andenland erneut Wahlkampf.

Angesichts der ungebrochenen Beliebtheit des ersten indigenen Präsidenten Lateinamerikas und mangels inhaltlicher Alternativen zur »demokratisch-kulturellen Revolution« der MAS prägt vor allem der »Indígena-Faktor« die Wahltaktik der zersplitterten Opposition. Einer der aussichtsreichsten Gegenkandidaten ist René Juaquino, gelernter Zimmermann und Bürgermeister der Bergbaustadt Potosí. Der Quechua-Indigene ist frei von politischen Altlasten aus Boliviens neoliberaler Periode (1985-2005). Morales wirft er die »Spaltung der Bolivianer« vor. Er sei für den »echten Wandel« ohne »Abhängigkeit von Venezuela«. Allein reicht sein Einfluss über die 160 000-Einwohner-Stadt jedoch nicht hinaus.

Überaus drastische Reaktionen provozierte zuletzt die Kandidatur des ehemaligen Vizepräsidenten Hugo Cárdenas (1993-97). Der Aymara-Indígena bezeichnet das »MAS-Projekt vom plurinationalen Staat« als »rassistisch, diskriminierend, anachronistisch und antihistorisch« und als ein Projekt, das die »Fortschritte der letzten 26 Jahre Demokratie« leugne. Traditionelle Aymara-Organisationen besetzten und enteigneten daraufhin sein Wohnhaus und erklärten ihn zum »Verräter seiner Rasse«.

Mit Alejo Véliz hat die ultrarechte Tiefland-Opposition nach Savina Cuéllar, Quechua-Präfektin des Departamentos Chuquisaca, einen weiteren »nützlichen Indio« gefunden. Beide Quechua sind von der MAS ins Lager der rassistischen Latifundisten übergelaufen. Morales »kann die Interessen des bolivianischen Volkes nicht vertreten«, so Véliz, der mit seiner Vereinigung Völker für die Freiheit und Souveränität (Pulso) auch bei den zeitgleich stattfindenden Parlamentswahlen antreten will. Doch steht die Registrierung beim Obersten Nationalen Wahlgericht noch aus.

In den Wahlkampf ziehen will der ehemalige MAS-Senator und Gewerkschafter ausgerechnet mit Morales-Erzfeind Rubén Costas, Präfekt der Oppositionshochburg Santa Cruz. Isaac Ávalos, Chef der mächtigen Bauerngewerkschaft CSUTCB, wundert sich nicht über das Zusammengehen: »Die Kandidatur erscheint uns logisch, da Alejo Velíz ein beleidigter Gewerkschaftsfunktionär ist, der von der Basis ausgestoßen wurde. Und Rubén Costas ist jemand, der unserer Organisation hohen Schaden zugefügt hat.«

Ein altbekanntes Gesicht ist hingegen der Journalist und Historiker Carlos Mesa. Mit seinem bisher unbekannten Programm will der Expräsident (2003-2005) den traditionell bürgerlichen Parteien zu einem Comeback verhelfen. Doch weil Boliviens Opposition schlicht der Zugang zur breiten Masse der Bevölkerung fehlt, scheint Morales Wiederwahl nur Formsache zu sein.

* Aus: Neues Deutschland, 27. März 2009


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