Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Jagd auf Morales

Gewaltbereite Rechte Südamerikas will Boliviens Präsident um jeden Preis loswerden

Von Benjamin Beutler *

Zwei Wochen nach der Polizeioperation gegen eine mutmaßliche Terrorzelle im bolivianischen Tiefland-Departamento Santa Cruz deuten erste Ermittlungsergebnisse auf eine Anti-Morales-Allianz gewaltbereiter Extremisten in Argentinien, Kolumbien und Bolivien hin. Mit vereinten Kräften arbeite Süd­amerikas extreme Rechte gegen die Regierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), äußerte sich Präsident Evo Morales Anfang der Woche am Rande einer Argentinien-Reise besorgt zu jüngsten Erkenntnissen der bolivianischen Staatsanwaltschaft. »Die Rechte hat internationale Beratung, das ist sicher, sie sind gut organisiert«, so das erste indigene Staatsoberhaupt des Kontinents in einer anschließenden Gesprächsrunde. Die »permanente Schmutzkampagne« gegen die neue Verfassung vom Januar 2009 und die »anhaltenden Destabilisierungsversuche« seien nur dadurch möglich gewesen, so Morales.

Zweifelsohne befinden sich gewaltbereite MAS-Gegner im regen Kontakt zu reaktionären Kreisen im Ausland. Nachdem am 16. April in der Oppositionshochburg Santa Cruz Spezialkräfte ein Hotel gestürmt, drei Terrorverdächtige erschossen und zwei weitere Männer verhaftet hatten, kommen täglich neue Verstrickungen ans Licht. So soll sich der getötete Kopf der Bande, der ehemalige kroatische Söldner Eduardo Rózsa Flores, im Dezember 2008 in Santa Cruz mit dem Exmilitärgeheimdienstler und Mitglied des rechtsextremen Soldatenbundes »Caras Pintadas« Jorge Mones Ruíz aus Argentinien getroffen haben. Ruíz war in den 80er Jahren im Rahmen der berüchtigten »Operation Condor« in Bolivien im Einsatz, als Tausende linke Oppositionelle in ganz Südamerika von den Geheimdiensten der Militärdiktaturen systematisch verfolgt und umgebracht wurden; in Argentinien: zählte man etwa 30000 »Verschwundene«.

Rechte Seilschaften scheinen im Tiefland zu gedeihen – Boliviens deutschstämmiger Diktator Hugo Bánzer 1971–1978) kam aus Santa Cruz. Hier verstecken sich neben Altnazis und Drogenbossen Justizflüchtige aus aller Welt, wie der von Argentiniens Staatsanwaltschaft und Interpol wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesuchte Oberst Luis Enrique Baraldini. Zusammen mit der Witwe des argentinischen Leutnants Horacio Fernández Cutiellos, der 1989 bei einem Putschversuch reaktionärer Militärs mit über 50 Toten ums Leben gekommen war, reiste dessen ehemaliger Kampfgefährte Ruíz im Dezember dann weiter nach Boliviens Hauptstadt La Paz, um dort den wegen des Pando-Massakers (im September 2008 ermordeten Präfektur-Angestellte 18 MAS-Anhänger) in Haft sitzenden Expräfekten des Departamento Pando, Leopoldo Fernández, zu besuchen. Beide gaben sich dabei fälschlicherweise als Journalisten einer argentinischen Zeitung aus.

Auch nach Kolumbien führen Spuren. Denn Ruíz ist aktives Mitglied des im Bürgerkriegsland ansässigen Rechtsbündnisses UnaAmerica, einer 2008 gegründeten Vereinigung von Nichtregierungsorganisationen aus Bolivien, Venezuela, Nicaragua, Paraguay, Argentinien und Brasilien, die massiv gegen die Linksregierungen der »Union Südamerikanischer Staaten« (Unasur) agitieren. Finanziert wird UnaAmerica von Kolumbiens Rechten wie Miguel Posada Samper, Manager der Finanzgruppe Bolívar und Sicherheitsberater der Uribe-Regierung. Samper ist Vorsitzender der »Vereinigung Wahrheit Kolumbien«, hervorgegangen aus dem 1995 vom kolumbianischen Militär gegründeten »Zentrum für soziopolitische Stu­dien«, das Vorwürfe kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen von einer Zusammenarbeit mit den antikommunistischen Paramilitärs widerlegen sollte. Von hier verläuft der Weg direkt in die USA: Gesponsert und gecoacht wird das kontinentale Rechtsbündnis von der neoliberalen US-Denkfabrik »Heritage Foundation«, der Entwicklungsbehörde USAID und der vom US-Kongreß abhängigen »Stiftung zur Demokratieförderung« (NED).

* Aus: junge Welt, 29. April 2009


Zurück zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage