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Kampf gegen Korrupte

Bolivien: Frühere Gesundheitsministerin verhaftet. USA wegen Destabilisierung im Visier

Von Benjamin Beutler *

Bis zum 18. Mai war Sonia Polo Gesundheitsministerin Boliviens. Dann wurde sie von Präsident Evo Morales wegen Unregelmäßigkeiten bei der Verlängerung von Glücksspiellizenzen gefeuert. Am Mittwoch wurde sie nun festgenommen und wegen »Nichterfüllung von Amtspflichten und verfassungswidrigen Erlassen« dem Haftrichter vorgeführt. »Die Anklage beruht auf dem Antikorruptionsgesetz«, erklärte Boliviens Transparenzministerin Nardi Surxo in La Paz. Ihre frühere Kollegin müsse die »Verantwortung für die unrechtmäßigen Vorgänge« übernehmen. Es solle geklärt werden, ob die Verlängerung der Lizenz des privaten Glücksspielunternehmens Lotex um 20 Jahre ihr persönlich zuzuschreiben sei, erläuterte Surxo. Polo habe ihre Amtspflichten grob verletzt und dem Staat großen wirtschaftlichen Schaden zugefügt.

Polo ist die erste Prominente, bei der das Anfang 2010 verabschiedete Antikorruptionsgesetz zur Anwendung kommt. Die rechte Opposition hatte dieses in der Vergangenheit immer wieder blockieren können, bis die regierende Bewegung zum Sozialismus (MAS) bei den Parlamentswahlen im vergangenen Dezember eine Zweidrittelmehrheit erreichte. Seitdem müssen ehemalige und amtierende Staatsdiener für ihre Taten im Amt juristisch einstehen, ohne sich hinter parlamentarischer Immunität verstecken zu können. Der Staat dürfe nicht länger die »Nuckelflasche« von Berufspolitikern und ihren Familien sein, hatte die MAS der grassierenden Korruption den Kampf angesagt.

Unterdessen richten sich die Ermittlungen zu den Ereignissen in der Ortschaft Caranavi vor einem Monat immer mehr gegen Washington. Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Bewohnern, die den Bau einer von der MAS zugesagten Zitrusfrüchtefabrik gefordert hatten, war es dort zu einer Eskalation der Gewalt gekommen, bei der zwei junge Männer starben. Präsidentschaftsminister Oscar Coca beschuldigte nun die US-Entwicklungsbehörde USAID der »Einmischung in innere Angelegenheiten«. Der Regierung lägen Fotos vor, auf denen »Ortsfremde« zu sehen seien, so Coca. Das »Bolivianische Forum für Umwelt und Entwicklung« (FODEMADE) und die »Zentrale für indigene Völker La Paz« (CEPILAP) seien von der USAID finanziert worden, um »Konflikte zu säen«. Man werde deshalb rechtlich gegen diese Nichtregierungsorganisationen vorgehen. Bereits zu Wochenbeginn hatte auch Morales bei einem Kongreß der Kokabauern im zentralbolivianischen Chaparé, die ihn in seinem Amt als Gewerkschafts­chef bestätigten, den Rauswurf der USAID aus Bolivien angedroht. Am Tag zuvor hatte US-Präsident Barack Obama den einstigen Berater von Boliviens Expräsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada, Mark Feierstein, zum USAID-Abteilungsleiter für Lateinamerika und die Karibik ernannt. Für die Regierung in La Paz ist das eine Provokation, denn Washington verweigert eine von Bolivien beantragte Auslieferung des früheren Staatschefs wegen der blutigen Niederschlagung von Protesten gegen die Privatisierung von Gasreserven im Oktober 2003.

* Aus: junge Welt, 12. Juni 2010


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