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Zweite Amtszeit für Evo Morales

In Bolivien stehen alle Zeichen auf Wiederwahl des Präsidenten

Von Benjamin Beutler *

Die Chancen für eine weitere Amtszeit von Boliviens Präsidenten Evo Morales stehen mehr als gut. Anhaltend hohe Umfragewerte versprechen zwei Monate vor den Wahlen einen regelrechten Triumph der Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) bei den Abstimmungen am 6. Dezember. Laut einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Prognose würde Morales rund 60 Prozent erreichen. Für die Opposition sähe es damit doppelt schlecht aus. Denn die Verfassung sieht neuerdings keinen zweiten Wahlgang vor, falls der führende Kandidat die 50-Prozent-Hürde nicht schafft. Entscheidend ist jetzt lediglich ein Mindestvorsprung von 20 Prozent auf den Zweitplazierten. Die Möglichkeit, daß sich die konservativen Kräfte in einer Stichwahl zusammenschließen, fällt somit weg.

Für die Morales-Mitbewerber bleibt wenig Hoffnung: Manfredo Reyes Villa, Expräfekt von Cochabamba, und Zementmillionär Samuel Doria Medinam würden in acht Wochen mit 20 und elf Prozent nur knapp die Hälfte der Stimmen erreichen, die der Präsident auf sich vereinen kann. Damit gilt es als wahrscheinlich, daß die Rechte erstmals ihre Bastion für die Blockade der MAS-Politik, den Senat, an die Sozialisten verlieren wird.

Gleichwohl ist der prognostizierte hohe Sieg der Regierung – 22 der 38 Sitze im Senat und 75 der 130 Parlamentsabgeordneten – mit Vorsicht zu genießen. Hinter den führenden Meinungsforschungsinstituten Ipsos Apoyo, Opinión und Mercado steht peruanisches Kapital, das keineswegs moralesfreundlich eingestellt ist.

Die MAS macht jedenfalls kräftig Werbung in eigener Sache. Nach ihrem historischen Wahlsieg im Dezember 2005 habe man »das Haus erst einmal richtig aufräumen« müssen, rührte Vizepräsident Álvaro García Linera vor wenigen Tagen in einem TV-Interview die Wahlkampftrommel. Trotz »ernsthafter struktureller Probleme« und dem »desaströsen neoliberalen Erbe« sei in den letzten dreieinhalb Jahren vieles gelungen. Das Neun-Millionen-Einwohner-Land sei auf dem Weg zu einer »neuen Wirtschaft, einem neuen Staat und einer neuen Gesellschaft«, wagte er einen optimistischen Blick nach vorn. »20 Jahre Neoliberalismus haben uns eine bankrotte Wirtschaft hinterlassen, wobei die Herrschaften das Land geplündert und alles, was Bolivien hatte, verkauft und verschenkt haben – für die Bolivianer blieb dabei fast nichts übrig«, so García Linera. »Das ganze Haus mußte umgebaut werden. Noch liegt viel Arbeit vor uns, aber die Dinge haben sich gewaltig verändert«, warb der der 47jährige Soziologe und Mathematiker für eine neue Amtszeit bis 2014.

* Aus: junge Welt, 15. Oktober 2009


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