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Boliviens Kampf um die Rohstoffe

Morales treibt Verstaatlichung der fossilen Brennstoffe weiter voran

Von Benjamin Beutler *

Boliviens Präsident Morales hat das Treibstoffunternehmen Air BP verstaatlicht. Korruption und sinkende Gaspreise machen es dem Land aber weiter schwer.

Drei Jahre nach seinem ersten Verstaatlichungsdekret hat Boliviens Präsident Evo Morales Anfang Mai ein weiteres Schlüsselunternehmen vergesellschaftet. Armee und die 2006 neu gegründete staatliche Energiefirma Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos (YPFB) müssten in den kommenden Monaten die »Wiederaneignung von Air BP« verwirklichen, einem »transnationalen Multi, der Treibstoff für Flugzeuge verkaufte«, so Morales. Die weltweit agierende Firmentochter der »British Petroleum« (BP) hatte das Monopol für alle zwölf Flughafentankstellen inne. Durch den Aufkauf des gesamten Aktienpakets, dessen Wert innerhalb der kommenden vier Monate ermittelt wird, wurde der letzte Schritt zur »vollständigen Kontrolle der Produktionskette fossiler Brennstoffe« durch die Regierung gegangen. Rechtliche Grundlage ist das im Mai 2006 verabschiedete Präsidial-Dekret Nr. 28701 »Helden des Chaco«, womit Morales sein Wahlversprechen einlöste, die Gas- und Ölindustrie des Landes unter nationale Kontrolle zu stellen. Óscar Coca, Minister für fossile Brennstoffe warb bei Aktionären von Air BP um »Verständnis für die neue Situation im Land«.

Die ersten drei Jahre der Verstaatlichungspolitik haben Boliviens Staatskasse gut gefüllt. Die Einnahmen aus dem Gasgeschäft mit den Hauptabnehmern Brasilien und Argentinien verdreifachten sich im Vergleich zu 2005 auf zuletzt jährlich 2,7 Milliarden US-Dollar. Der bis Mitte 2008 hohe Weltmarktpreis für Energie sowie die mit Multis wie Petrobras, Repsol, British Gas und Total neu ausgehandelten Verträge sorgten dafür, dass die Regierung soziale Programme wie die »Rente der Würde« und das Schulgeld »Juancito Pinto« auflegen konnte. Gingen vor dem Nationalisierungsdekret 82 Prozent der Gewinne an Privatfirmen und nur 18 Prozent an den Staat, so ist das Verhältnis seit 2006 genau umgekehrt.

Doch stehen die Zeichen sieben Monate vor den Präsidentschaftswahlen auf Sturm: Angesichts drastisch gefallener Gaspreise gab das Wirtschaftsministerium jüngst bekannt, die diesjährigen öffentlichen Budgets von Zentralstaat, Departamentos und Kommunen, welche direkt von der »Direkten Steuer auf fossile Brennstoffe« abhängen, hätten mit Einbußen von rund 25 Prozent zu rechnen. Allein für die Weiterzahlung der Renten werde ein Betrag von über 300 Millionen US-Dollar fehlen.

Die von der Opposition kontrollierte »Kammer für Energiewirtschaft« (CBH) und das »Bolivianische Institut für Außenhandel« sehen schwarz: Inkompetenz, fehlende Investitionen, Korruption und Nachfragerückgang für bolivianisches Gas würden bald für den »totalen Zusammenbruch des Energiesektors« sorgen. Tatsächlich sorgte die bei YPFB um sich greifende Korruption und Vetternwirtschaft immer wieder für Schlagzeilen. Seitdem Regierungs-Urgestein und letzter YPFB-Präsident Santos Ramírez mit einem Millionenbetrug die »demokratisch-kulturelle Revolution« zu diskreditieren drohte, greift Morales ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit durch. Ramírez und seine Partner sitzen nun im Gefängnis. Ohne Hilfe scheint sich das ärmste Land Südamerikas nicht aus dem Korruptionssumpf befreien zu können. Der neue YPFB-Chef Carlos Villegas stellte Anwälte aus Kanada und den Niederlanden ein, nachdem Scheinfirmen Staatsaufträge zugeschachert wurden.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Mai 2009


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