Morales vorn
Bolivien: Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014. Opposition sucht neue Allianzen
Von Benjamin Beutler *
Boliviens Oberstes Wahlgericht hat am Dienstag den offiziellen Termin für die kommenden Wahlen bekanntgegeben. Parlament, Präsident und Vizepräsident sollen demnach im Oktober 2014 gewählt werden. Dabei müssen sich die Bolivianer auf einige Neuigkeiten einstellen. Neben der Umverteilung von Parlamentssitzen nach Ergebnissen der jüngsten Volksbefragung – Regionen auf dem Land mit schwacher Bevölkerung und geringer Entwicklung sollen gegenüber Städten und Ballungszentren leicht gestärkt werden – gilt für die Präsidentschaftswahlen 2014 das Stichwahl-Prinzip.
Schafft es kein Kandidat im ersten Durchlauf, die absolute Mehrheit der Direktstimmen auf sich zu vereinen, treten die zwei Erstplazierten erstmals in einer »segunda vuelta« gegeneinander an. Bisher hatten in diesem Fall die Mitglieder beider Parlamentskammern den Staatschef auf Umwegen ernannt. Doch zogen oft schwache Präsidenten in den Regierungspalast »Palacio Quemado« ein, die zwar das Placet der Parteien, nicht aber des Wählers genossen. Ende 2005 dann knackte Ex-Kokabauer Evo Morales die 50-Prozent-Marke. Und war seit Boliviens Rückkehr zur Demokratie 1982 nicht nur der erste indigene Präsidenten der Elf-Millionen-Einwohnernation im Herzen Südamerikas, sondern auch der erste direkt gewählte Regierungschef.
Für die Opposition hat die Jagd auf die Morales-Regierung derweil längst begonnen. Seit Wochen versucht das Lager rechts von der Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), wieder auf die Beine zu kommen. In La Paz und seiner Millionen-Satellitenstadt El Alto ist allein die »Bewegung ohne Angst« (MSM) ernst zu nehmen. Einen Achtungserfolg konnten die Sozialdemokraten um den Menschenrechtler Juan del Granado bei der Bürgermeister- und Präfektenwahl 2010 erringen. In La Paz setzte sich Luis Revilla gegen die MAS-Kandidatin Elizabeth Salguero durch. Auch in Oruro ist seitdem die MSM-Politikerin Ío Pimentel Bürgermeisterin.
In der heiß-schwülen Tieflandmetropole Santa Cruz de la Sierra nimmt Präfekt Rubén Costas einen neuen Anlauf. Mit seiner aus der Traufe gehobenen Retortenpartei »Sozialdemokratische Bewegung« (MSD) streckt der Zuckerrohr-Millionär und Latifundisten-Vertreter seine Fühler nach Bündnispartnern aus. Tatsächlich sind Boliviens neue Parteien ein Puzzle alter Gesichter untergegangener Rechtsparteien. Sie stehen für einen Politikstil der Privatisierung, Selbstbedienung und Cliquenwirtschaft. »Bevor wir ein Bündnis von Politikern suchen, sollten wir auf nationaler Ebene ein Bündnis schaffen«, stellt sich MSD-Politiker und Senator Tomás Monasterios, der für den rechten Zusammenschluß »Nationale Übereinkunft« (CN) im Parlament sitzt, quer. Eine Führungsrolle von Doria Medina von der rechtsliberalen »Nationalen Einheit« (UN) lehnt nicht nur der Tiefländer ab. Zwar will UN-Parteichef und Zement-Millionär Medina eine »Nationale Front« gegen Morales aufbauen. Allerdings mit ihm als Präsidentschaftskandidat.
Bolivien hält mit 169 Militärputschen, Staatsstreichen und unzähligen abgebrochenen Legislaturperioden den Regierungswechsel-Weltrekord. Heute scheint das Land in der demokratischen Stabilität angekommen. 2014 kämpfen über 23 Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen um die Wählergunst. Das seltene Kunststück der Wiederwahl hatte der Sozialist Morales schon 2009 wiederholt. Aktuelle Umfragen sehen den Präsidenten erneut vorn. Reflexartig warnt die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einem jüngsten Bericht in Kalter-Kriegs-Manier vor einer »Scheindemokratie«. Linke Politik in Bolivien gefällt nicht allen.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 25. September 2013
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