Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die Wüste bebt

Botsuana wird vom größten Streik seiner Geschichte erschüttert – Regierung bleibt uneinsichtig

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Botsuana steht still. In dem Binnenstaat im südlichen Afrika, über dessen Gebiet sich fast vollständig die harsche Kalahari-Wüste erstreckt, sind die Schulen geschlossen, die meisten Krankenhäuser kaum noch funktionstüchtig. Das nur zwei Millionen Einwohner zählende Land erlebt seit nunmehr sieben Wochen den längsten und umfassendsten Streik seiner Geschichte. 90 000 Angestellte des öffentlichen Dienstes – und damit mehr als 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung – kämpfen für Lohnerhöhungen. Zunehmend richtet sich der Streik auch gegen die unerbittlich gewerkschaftsfeindliche Linie des Präsidenten Ian Khama. Der sieht die Gewerkschaften nicht als Gesprächspartner und will seine Landsleute mit harter Hand zurück in die Schulen und Krankenhäuser zwingen – eine Einigung rückt damit jedoch in noch weitere Ferne.

Die Entdeckung riesiger Diamantenvorkommen kurz nach der Unabhängigkeit 1966 hat die Staatskasse Botsuanas zwar von jeher gut gefüllt, doch noch immer leben 30 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die inoffiziellen Arbeitslosenzahlen bewegen sich auf ähnlichem Niveau, und weil die Inflationsrate bei derzeit gut acht Prozent liegt, fürchten auch die Angestellten um ihren bescheidenen Wohlstand. Der Internationale Währungsfonds, für den Botsuana seit jeher ein Musterbeispiel vorbildlicher neoliberaler Regierungsarbeit war, bescheinigt dem Land bezeichnenderweise gerade jetzt die »Rückkehr auf einen starken Wachstumspfad« und begründet das neben wieder steigenden Diamantenexporten auch noch mit guter Regierungsarbeit. Obwohl die Inflation stiege, gebe es »keinen festen Beweis eines generellen Preisdrucks«. Die Gewerkschaften sehen das offensichtlich anders. 16 Prozent mehr Lohn hatten sie deshalb ursprünglich gefordert.

Daß der Streik so lange andauert, liegt aber nicht an den ambitionierten Lohnvorstellungen der Angestellten, sondern an der kompromißlosen Haltung der Regierung. Fünf Prozent hatte Präsident Khama, dessen »Demokratische Partei Botsuanas« seit der Unabhängigkeit mit überwältigenden Mehrheiten regiert, ursprünglich geboten. Als die Gewerkschaften ihm entgegenkamen, reduzierte er sein Angebot auf drei Prozent. Die Verhandlungsführung – so man davon überhaupt sprechen kann – ist abenteuerlich bis erpresserisch. Über 1400 Angestellte, darunter Ärzte und Krankenschwestern, hat der quasi-monarchisch regierende Staatsführer – er ist der Sohn des ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit – seit Beginn des Ausstandes entlassen. Streikende klagen, daß sie sich wie Kriminelle behandelt fühlten, ein Gewerkschaftsführer wurde bereits verhaftet und nur auf Kaution wieder freigelassen. Gespräche mit Arbeitervertretern lehnt Khama fast kategorisch ab.

Dabei sind die Gewerkschaften sichtbar um ein Einlenken bemüht. Zu Wochenbeginn haben sie sogar das Drei-Prozent-Angebot angenommen. Lediglich die Rücknahme der Massenentlassungen, eine Staffelung der Lohnerhöhung zugunsten von Geringverdienern und die Nachzahlung der während des Streiks eingefrorenen Löhne liegen jetzt noch als Bedingungen auf dem Tisch. Doch Khama bewegt sich keinen Millimeter und die Fronten drohen sich weiter zu verhärten. »Wenn die Regierung nicht mit uns redet, solange wir nicht arbeiten, dann heißt das, daß der Streik weiter geht. Denn wir gehen nicht zurück«, kündigte Goretetse Kekgonegile, Sprecher der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, an. Khamas harte Linie hat die Verhandlungen längst zu einem Kampf um das Überleben der Gewerkschaften gemacht – ein bedingungsloses Einlenken jetzt würde der Selbstabschaffung gleichen.

* Aus: junge Welt, 3. Juni 2011


Zurück zur Botsuana-Seite

Zurück zur Homepage