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Mehr als 500 Tote nach Überschwemmungen in Brasilien

"Schlimmste Naturkatastrophe" in Geschichte des Landes *

Mit mehr als 500 Toten bei den Überschwemmungen in Brasilien erlebt das Land die größte Naturkatastrophe seiner Geschichte. Mindestens 506 Menschen seien durch die Regenfälle und Erdrutsche nördlich von Rio de Janeiro ums Leben gekommen, sagten Behördenvertreter örtlichen Medien am Donnerstag (13. Jan.). Präsidentin Dilma Rousseff versprach nach einem Besuch im Katastrophengebiet weitere Hilfen.

Laut der Nachrichten-Website G1 kamen in der Stadt Nova Friburgo 225 Menschen ums Leben, in Teresópolis waren es demnach 223 Tote, in Petrópolis 39 und in Sumidouro mindestens 19 Opfer. Zuvor hatten Medien von mindestens 480 Toten berichtet. Damit handele es sich um die »schlimmste Naturkatastrophe« in der Geschichte des Landes, hieß es. Als größte Katastrophe Brasiliens galt bislang ein Erdrutsch in der Küstenstadt Caraguatatuba 1967, als unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 300 und 436 Menschen getötet wurden.

Besonders schwer betroffen ist das bergige Gebiet nördlich von Rio de Janeiro, ein insbesondere in der jetzigen heißen Jahreszeit begehrtes Ausflugsziel. Ganze Viertel in Nova Friburgo, Teresópolis und Petrópolis wurden durch Flüsse aus Schlamm und Gesteinsbrocken weggeschwemmt. Die Behörden rechneten mit weiteren Toten, da viele abgeschiedene Gebiete erst allmählich von den Rettungskräften erreicht werden konnten.

Tausende Überlebende fanden in Notaufnahmelagern Unterschlupf. Kirchen und Polizeiwachen wurden zu Leichenhäusern umfunktioniert, in der warmen Luft stand der Geruch von verwesenden Leichen. Davor spielten sich dramatische Szenen ab, während Angehörige nach Vermissten suchten. Der 44-jährige Edmar Da Rosa berichtete in einem Lager in Teresópolis, eine Wand seines Hauses sei in dem Unwetter eingestürzt. »Meine Frau starb. Mein Enkel starb. Und die anderen sind verletzt.«Der 59 Jahre alte Joao de Lima umklammerte eine Puppe und sagte: »Ich habe meine vier Töchter und alles, was ich habe, verloren.«

Rousseff flog per Hubschrauber über das Gebiet und ging anschließend zu Fuß durch einige Regionen. Die Präsidentin, die erst seit Anfang des Jahres im Amt ist, zeigte sich schockiert und versprach »starke Maßnahmen« der Regierung. Diese stellte bislang umgerechnet knapp 350 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung. Das Gesundheitsministerium kündigte zudem an, für die Region würden sieben Tonnen medizinisches Material zur Verfügung gestellt.

Die teils spektakuläre Rettung einzelner Menschen gab aber auch immer wieder Anlass zur Hoffnung. Die Nachrichtensender zeigten am Donnerstag die Bilder einer Frau, die mit ihrem Hund im Arm auf dem Dach ihres Hauses sitzt, das von den Wassermassen mitgerissen wird. Nachbarn aus einem höher gelegenen Haus werfen ihr ein Seil zu, an dem sie sich hochziehen kann. Sie verschwindet kurz in den reißenden Fluten, taucht dann aber wieder auf und wird von den Nachbarn gerettet. Ihr Hund überlebte allerdings nicht.

Heftiger tropischer Regen in der Region Serrana hatte dazu geführt, dass Schlammlawinen in die Orte rutschten und Flüsse über die Ufer traten. Für die kommenden Tage sagten die Meteorologen weitere Regenfälle vorher.

* Aus: Neues Deutschland, online, 14. Januar 2011

Experte: Extreme Regenfälle auch Folge der Erderwärmung

Die heftigen Regenfälle und Überschwemmungen in Australien und Brasilien sind nach Ansicht des Kieler Klimaforschers Mojib Latif auch eine Folge des weltweiten Klimawandels. "Langfristig nehmen die extremen Wetterereignisse wegen der globalen Erwärmung zu", sagte Latif der Nachrichtenagentur AFP. Zwar werde für die aktuellen Wetterextreme in erster Linie das Klimaphänomen "La Niña" verantwortlich gemacht, das in bestimmten Regionen der Erde für eine natürliche Erwärmung und extreme Niederschläge sorgt. Die Klimaveränderungen könnten diesen Effekt aber verstärken. "Das was jetzt in Australien passiert, passt ins Bild."

Das Naturphänomen "La Niña" sorgt dafür, das sich durch Wind und Meeresströmungen das Wasser im östlichen Pazifik abkühlt und im westlichen Pazifik erwärmt - so auch vor der Küste Australiens. Das warme Meereswasser vor den Küsten verdunstet stärker und sorgt damit für intensive Regenfälle, die zu Überschwemmungen führen können. "La Niña" wird auch für extreme Niederschläge im nördlichen Südamerika, besonders in Brasilien und Kolumbien, sowie im Südosten Afrikas verantwortlich gemacht. Ohnehin hat sich nach Angaben Latifs die Wassertemperatur der Ozeane in den vergangenen Jahrzehnten durch den globalen Klimawandel "um einige Zehntel" erhöht. "La Niña" führe dann zu einer zusätzlichen Erwärmung. Dies zusammen könne dann solche extremen Wetterereignisse wie in Australien weiter verstärken. Bei Überschwemmungen und Erdrutschen in Brasilien kamen bislang mehr als 500 Menschen ums Leben. In Australien richtete die Jahrhundertflut schwere Verwüstungen an und kostete zahlreiche Menschen das Leben. Mit dem ungewöhnlich schneereichen Dezember in Deutschland und dem Hochwasser zu Jahresbeginn hat "La Niña" freilich nichts zu schaffen. Der Winter in Deutschland sei durchaus "normal", sagte Latif. Das derzeitige Hochwasser sei eine Folge des Abschmelzens von Eis und Schnee und der teils ergiebigen Regenfälle.

* Nachrichtenagentur AFP, 14. Januar 2011

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