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Guarani-Kaiowá machen virtuell und real mobil

Brasilianische Indígenas verhindern Räumung über die Mobilisierung in sozialen Netzwerken

Von Astrid Schäfers *

Mit massiver Mobilisierung über soziale Netzwerke wie Facebook und die Medien ist es einer Guarani-Kaiowá-Gemeinde im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul gelungen, ihre Räumung zu verhindern. Am 9. November gab es in Brasilien und Weltstädten wie Berlin Solidaritätsdemonstrationen mit den Guarani-Kaiowá.

Es ist ein Etappensieg: Vorerst dürfen die 170 Indigenen auf dem Gebiet des Landguts Cambará in der Gemeinde Iguatemi verbleiben. »Wir sind bereit, für unser Land zu sterben«, schrieben 30 indigene Familien der Gemeinde Pyelito Kuê in einem Brief, in dem sie die Regierung aufforderten, die am 1. Oktober in Kraft getretene Räumungsanordnung zurückzunehmen. Nachdem der Katholische Missionsrat CIMI den Brief im Internet gepostet hatte, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Blogger und Facebooker erklärten sich unter dem Motto »Wir sind alle Guarani-Kaiowá« mit den Indigenen solidarisch mit dem Kampf der Kaiowá und Guarani um Land. Da Justiz und von den Viehzüchtern angeheuerte Sicherheitskräfte darauf beständen, sie von ihrem Land zu vertreiben, seien sie bereit, dort zu sterben. Die in Pyelito Kuê lebenden Kaiowá waren in den letzten Wochen mehrfach bedroht und zuletzt von bewaffneten Sicherheitskräften des Viehzüchters der Ranch umzingelt worden. Sie hatten nur geringen Zugang zu Nahrung oder Gesundheitsversorgung.

Am 1. November hatten Sicherheitskräfte der Justiz zudem mit der Räumung einer Kaiowá-Gemeinde in Porto Murtinho begonnen und 60 Familien dazu gezwungen, ihr Gebiet zu verlassen.

Infolge der internationalen Medienaufmerksamkeit sah sich die brasilianische Regierung schließlich gezwungen, mit den Kaiowá über ihren Verbleib auf dem Land zu verhandeln, das bereits 1984 als ihr Eigentum registriert worden war. Nach einwöchigen Gesprächen mit VertreterInnen der Indigenen in Brasília verkündete Justizminister José Eduardo Cardozo am 30. Oktober, das Gericht in São Paulo habe entschieden, die einstweilige Verfügung über die Räumung des Landes zurückzunehmen. Mit der Einschränkung jedoch, dass sie sich bis zur Klärung der Besitzverhältnisse nur auf einem Hektar Land aufhalten dürfen.

»Wir sind erleichtert darüber, dass wir nun nicht von unserem Land verwiesen werden, aber es ist eine Schande, dass sie uns auf einem Hektar einsperren wollen«, kommentierte der Kazike Lide Lopes die Entscheidung gegenüber CIMI. Die Abgeordnete Érica Kokay bezeichnete diese Bestimmung des Gerichts als »Gefangenschaft«.

Rund 30 Prozent des 580 000 Hektar großen Gebiets, auf das die Agrarlobby von Mato Grosso do Sul Anspruch erhebt, wird bereits seit den 50er Jahren für großflächige Rinderzucht genutzt. Nie erkannten die Viehzüchter die Registrierung des indigenen Landes an. Über ihren Widerspruch gegen die Entscheidung von 1984 hat der Oberste Gerichtshof jedoch bis heute nicht entschieden. »Wir befinden uns in einer komplizierten Situation der Abgrenzung indigenen Landes, denn in der Region gibt es viel politischen und wirtschaftlichen Widerstand«, erklärte die Generalstaatsanwältin Deborah Duprat anlässlich der jüngsten Gespräche mit den Kaiowá in Brasília. Die Gewalt gegen die Indigenen bleibt nicht folgenlos: Zwischen 2003 und 2010 begingen laut dem CIMI 555 Guarani-Kaiowá Selbstmord. »Damit die Gewalt aufhört, muss das Land abgegrenzt werden. Denn der Bundesstaat respektiert unser Recht auf das Land nicht und erkennt uns nicht als Bürger an. Die Regierung unseres Bundesstaates hat ziemlich deutlich gemacht, dass sie uns nicht unterstützen wird«, erklärte Otoniel Ricardo, Mitglied des »Kontinentalen Rats der Guarani« gegenüber dem CIMI. Der Kampf um Land wird weitergehen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 13. November 2012


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