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Wahlkampf mit Petrobras

Brasilien: Parlamentarische Untersuchung gegen staatlichen Energiekonzern

Von Andreas Knobloch, São Paulo *

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat erstmals in seiner siebenjährigen Amtszeit eine bedeutende Abstimmung verloren. Der staatliche Energieriese Petrobras, einer der fünf größten Energiekonzerne weltweit, wird zum Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchungskommission (CPI) im brasilianischen Senat. Bei der Abstimmung Mitte Mai hatte die Opposition 32 Senatoren hinter sich, fünf mehr als nötig gewesen wären, um eine Untersuchung des Energieriesen wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten und Korruption in die Wege zu leiten. Sieben Abgeordnete der Regierungskoalition stimmten für die CPI.

Die öffentliche Untersuchung (die Sitzungen sollen live im Fernsehen übertragen werden) ist ohne Zweifel das bislang größte und riskanteste Manöver der Opposition gegen die Regierung. Die wiederum wollte mit aller Macht, zumal in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise, eine parlamentarische Untersuchungskommission gegen das Kronjuwel der brasilianischen Wirtschaft verhindern. Lula hat immer wieder betont: »Brasilien ist Petrobras und Petrobras ist Brasilien.«

Die Untersuchung der Führung von Petrobras - von der Opposition schon des öfteren beschuldigt, sich in den verlängerten Arm der regierenden Arbeiterpartei PT verwandelt zu haben - wurde von der sozialdemokratischen PSDB des Expräsidenten Fernando Henrique Cardoso durchgesetzt. Lulas Angriffe auf die PSDB ließen nach der Abstimmung im Senat auch nicht lange auf sich warten. Das Verhalten sei unverantwortlich. »Das ist keine CPI des Congreso Nacional. Es ist vielmehr eine CPI der PSDB. Mich verwundert es schon, daß eine Partei, die das Land acht Jahre lang regiert hat, eine solch unverantwortliche Haltung annimmt«, so der Präsident in einer Stellungnahme.

Die Regierung befürchtet, daß die parlamentarische Untersuchung das Image von Petrobras inner- und außerhalb Brasiliens beschädigen könnte - mit entsprechend negativen wirtschaftlichen Auswirkungen. Vor allem aber vermutet die PT hinter dem Handeln der Opposition taktische Motive mit Blick auf die im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen. Lula selbst darf nicht mehr antreten. Die PSDB könnte in der CPI die Chance sehen, gegenüber der populären Lula-Regierung wieder an Profil zu gewinnen.

Verschiedene Punkte von Petrobras' Geschäften sollen unter die parlamentarische Lupe genommen werden: Unregelmäßigkeiten in der Raffinerie Abreu Lima in Pernambuco, Bestechung und Vetternwirtschaft bei Ämter- und Auftragsvergabe und eine nicht bezahlte Steuerschuld von 4,3 Milliarden Reales (ungefähr 1,5 Milliarden Euro). Darüber hinaus besteht der Verdacht, daß die PT versucht haben könnte, Petrobras als Finanzierungsquelle für die Partei zu nutzen.

Aus: junge Welt, 26. Mai 2009


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