Lula-Vertraute schuldig
Drei Ex-Spitzenpolitiker in Brasilien verurteilt
Von Andreas Behn, Rio de Janeiro *
Das Oberste Gericht in Brasilien
macht ernst: Wegen Bestechung wurden
drei ehemalige Spitzenpolitiker
der regierenden Arbeiterpartei PT für
schuldig befunden.
Das Urteil steht: schuldig. Das
Strafmaß wird erst zu Prozessende
bekannt. Unter den Schuldigen
befindet sich die rechte Hand des
ehemaligen populären Staatspräsidenten
Lula (2003-2011): der Hauptangeklagte José Dirceu, Ex-
Staatsminister während der ersten Amtszeit von Lula. Er war laut Anklage
Drahtzieher eines Korruptionssystems.
Es seien öffentliche Gelder
veruntreut und parlamentarische
Unterstützung erkauft worden.
Die Mehrheit der Obersten
Richter befand am Dienstagnachmittag
auch Ex-Parteipräsident
José Genoino und den ehemaligen
Schatzmeister Delúbio Soares für
schuldig.
Damit sind im größten Korruptionsprozess
Brasiliens die meisten
der insgesamt 37 Angeklagten,
darunter Unternehmer – leitende
Bankangestellte und weitere Politiker
verschiedener Parteien – verurteilt
worden. Die Aufdeckung des
Mensalão (die große Monatszahlung)
genannten Korruptionsskandals
war im Jahr 2005 ein
schwerer Schlag für die Linksregierung
unter Lula.
Dirceu muss sich im letzten Teil
des Prozesses noch wegen des
Vorwurfs der Bildung einer kriminellen
Vereinigung verantworten.
Beim Tatbestand der Bestechung
plädierten bisher sechs Richter für
schuldig, zwei auf Freispruch und
zwei verlasen ihr Urteil am Mittwoch
(nach Redaktionsschluss).
»Die Summe der Beweise verweist
auf die zentrale Position, die
der Ex-Minister als Auftraggeber
der illegalen Zahlungen an Parlamentarier
innehatte«, so Richter
Joaquim Barbosa während der
Urteilsverkündung, die live im
Fernsehen übertragen wurde. Sein
Richterkollege Lutz Fux begründete
den Schuldspruch gegen Dirceu
mit »den Zeugenaussagen und
Gesprächsprotokollen, die deutlich
machen, dass der Angeklagte aufgrund
seiner wichtigen Rolle in Partei und Regierung
der politische Organisator
dieser Strafsache war«.
Ihre Freisprüche erklärten die Richter
Ricardo Lewandowski und Dias
Toffoli mit dem Mangel an Beweisen.
Sie folgten damit den Verteidigern,
die geltend machten, dass
einzig Zeugenaussagen von Mitangeklagten
als Beweise vorgelegt
worden waren.
Mit den Worten »ich werde das
Urteil akzeptieren, aber nicht
schweigen«, reagierte Dirceu auf
die Richterentscheidung. In seinem
Blog schrieb der einst starke
Mann unter Lula, er sei »unter
starkem Druck der Presse wegen
Korruption verurteilt worden, obwohl
die Ermittlungsakten das Gegenteil
besagen«.
Die Arbeiterpartei reagierte
Verhalten auf die Verurteilung.
»Wir müssen die Gerichtsentscheidung
akzeptieren«, sagte
Fraktionschef Gilmar Tatto. »Und
wir hoffen, dass die Obersten
Richter den Mensalão der (rechten
Oppositionspartei) PSDB, der als
Nächstes verhandelt wird, genauso
behandeln.«
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 11. Oktober 2012
Zurück zur Brasilien-Seite
Zurück zur Homepage