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Brasilien: Atlantischer Regenwald schrumpft

Verstärkte Abholzung schadet auch dem Klima

Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro *

Brasiliens Atlantischer Regenwald (Mata Atlântica) ist eines der artenreichsten und zugleich bedrohtesten Tropenwaldökosysteme der Erde. 93 bis 95 Prozent sind bereits abgeholzt. Und das, obwohl sich hier Schutz des Artenreichtums und klimakühlende CO2-Bindung bestens verbinden ließen.

Die Reste der sich einst von Süd- bis Nordostbrasilien erstreckenden Atlantischen Regenwälder sind lebenswichtig für Trinkwasserversorgung und Erosionsschutz in den Küstenmetropolen. Dennoch zeigt die jüngst veröffentlichte Satellitenauswertung des nationalen Weltraumforschungsinstituts INPE, dass die Abholzung der Mata Atlântica in den vergangenen drei Jahren rund um São Paulo und Rio de Janeiro sogar drastisch zunahm. Spitzenreiter ist die Region São Paulo. Zwischen 2005 und 2008 wurden hier 437 Hektar abgeholzt, fast zehn mal mehr als in den fünf Jahren zuvor. In der Großregion Rio de Janeiro verdoppelte sich die Vernichtung der Mata Atlântica auf 205 Hektar in den vergangenen drei Jahren gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2005. Vitória, die Hauptstadt des Bundesstaates Espíríto Santo, verlor »nur« 150 Hektar Regenwald während der vergangenen drei Jahre gegenüber 86 Hektar Waldverlust in den fünf Jahren zuvor.

Ein Großteil des sich einst auf auf 1,3 Millionen Quadratkilometern erstreckenden Atlantischen Regenwaldes wurde vor allem für Zuckerrohrplantagen, Kaffee-Anbau und Holzgewinnung vernichtet. Seit den 1960er Jahren holzten auch Zellstoffunternehmen Tausende von Hektar »Urwald« für den Anbau von Eukalyptusmonokulturen ab. Heute sind es eher Infrastrukturprojekte wie Straßen sowie illegale Armensiedlungen, die sich immer tiefer in die Reste der Mata Atlântica fressen. Neben den vielen Tier- und Pflanzenarten, die mit dem Wald verschwinden, bedroht die Abholzung die Trinkwasserversorgung von rund 120 Millionen Menschen.

Der Atlantische Regenwald wirkt wie ein Schwamm, der die oft wie Sturzbäche vom Himmel stürzenden Regenfälle aufsaugt und festhält. Wird er abgeholzt oder auch nur degradiert, verliert er seine Wasserspeicherkapazität und der Bodenerosion wird Tür und Tor geöffnet. Was dies gerade für die in den Randzonen der Städte lebende Bevölkerung bedeutet, war erst wieder vergangenen November am Fernseher zu verfolgen. Heftige Regenfälle lösten in Rio de Janeiro und vor allem in Santa Catarina zahlreiche Bergstürze und Erdrutsche aus. Tausende von Häusern wurden unter Erd- und Schlammmassen begraben oder von Überschwemmungsfluten weggerissen. Über 20 000 Menschen verloren Hab und Gut. Über 100 Menschen starben.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2009


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