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Uranrausch im Regenwald

Brasilien und Guyana suchen in Amazonien nach Brennstoff für die AKW

Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro *

Brasilien hat seit einiger Zeit wieder Atomkraftpläne. Und so kommt eine Welle von Uranbergbauprojekten auf die Amazonasregion und ihre Bevölkerung zu. Die Ureinwohner allerdings wollen da nicht mitmachen. Bereits seit 2008 suchen mehrere Unternehmen im benachbarten Guyana nach Uranerzen. Vergangenen Januar sind die ersten Bohrtrupps der kanadischen Uranexplorationsfirma U308 fündig geworden: Nahe des Roraima-Beckens an der Grenze Guyanas und Venezuelas zu Brasilien fanden sie ein erstes ausbeutungsfähiges Vorkommen mit über 3000 Tonnen Uran, so die Firmenmitteilung. Das Unternehmen vermutet im Roraima-Becken noch weit ergiebigere Lagerstätten mit mehr als 150 000 Tonnen Uran.

Auch die Regierung Brasiliens will den Uranreichtum Amazoniens langfristig ausbeuten. Laut Angaben der staatlichen Nuklearindustrie (Indústrias Nucleares do Brasil -- INB) sollen im Süden von Pará im Gebiet der ehemaligen Skandal-Rinderfarm von Volkswagen do Brasil, Rio Cristalino, rund 150 000 Tonnen Uran zu heben sein. Weitere 150 000 Tonnen schlummern im Staat Amazonas bei Pitinga, in der Region der Waimiri-Atroari-Indianer. Noch größere Vorkommen werden im nordamazonischen Bundesstaat Roraima im traditionellen Gebiet der Yanomami vermutet. Die Regierung Lula da Silva arbeitet gerade auch deshalb seit 2007 an einem Gesetz, das den industriellen Bergbau künftig in Indianergebieten erlauben und Entschädigungszahlungen regeln soll.

Dennoch sind Konflikte vorprogrammiert: Denn die Yanomami sowie die Kayapó-Indianer haben sich bereits deutlich gegen das neue Gesetzesvorhaben der Regierung Lula ausgesprochen. »Wir Yanomami wollen keinen Bergbau in unserem Land«, so der Schamane und Indianerführer Davi Kopenawa Yanomami. Und auch die Metyktire (Kayapó) sind dagegen. In einem offenen Brief an Präsident Lula da Silva schrieben sie: »Wir mögen das Bergbaugesetz, das die Regierung durchsetzen will, nicht. Bergbau wird unser Land ruinieren. Wir haben das Recht, auf unserem Land zu leben, das uns bereits gehörte, lange bevor die Weißen kamen. Wie können wir auf ausgebeutetem, verdorbenem Land leben?«

Langjährige Erfahrungen des Uranbergbaus in den USA, Kanada, Australien, Indien, im afrikanischen Niger oder in Ostdeutschland zeigen: Uranminen führen zu Vergiftung und Verstrahlung von Minenarbeitern, der lokalen Bevölkerung und der Umwelt. »Wo es Uran gibt, leiden die Menschen«, so die deutsche Uranexpertin Inge Lindemann. Schon die Uranexploration sei eine Gefahr für Mensch und Umwelt, warnt die kanadische Vereinigung gegen Uranminen (Ottawa Coalition Against Uranium Mining -- OCAMU): »Exploration bedeutet Abholzungen, Bohrungen und Sprengungen.« Schneisen werden in den Urwald geschlagen, schweres Bohrgerät herangeschafft, die Probebohrungen können Grundwassersysteme mit Uranschichten in Verbindung bringen und damit mit Uran und seinen Spaltprodukten vergiften und radioaktiv verseuchen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. April 2009


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