Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mediencoup gegen Einsatz kubanischer Ärzte

Brasilien: Rechte Oppositionspartei präsentiert Überläuferin

Von Benjamin Beutler *

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff verteidigt den Einsatz kubanischer Ärzte in ihrem Land. »Das ist ein Programm, das mir am Herzen liegt«, bekräftigte die Politikerin der regierenden Arbeiterpartei (PT) Mitte vergangener Woche bei einem Besuch in der Amazonasstadt Manaus. Der Norden sei die Region, die am meisten vom Programm »Mais Médicos« profitiere, »auch wenn es hier und da immer wieder Probleme geben wird«. Im Rahmen dieses Abkommens »Mehr Ärzte« hat Kuba seit August 2013 Tausende Mediziner geschickt. Damit reagierten Brasilia und Havanna darauf, daß abseits der Millionenstädte wie São Paulo und Rio de Janeiro noch immer viele Ärzte fehlen. Nach Massenkundgebungen für eine bessere Gesundheitsversorgung 2013 hatte man im Palácio do Planalto beschlossen, mehr Geld für Krankenhäuser und Infrastruktur auszugeben und das Unterstützungsangebot Kubas anzunehmenen. Bis März sollen 13000 medizinische Fachkräfte aus Kuba über ganz Brasilien verteilt werden, bisher sind offiziellen Angaben zufolge 7000 im Land.

Trotz der tatkräftigen Hilfe aus Kuba laufen Ärzteverbände und Opposition in Brasilien weiter Sturm gegen die »Ausländer« in Krankenhäusern und Sanitätsstationen. Mit Demonstrationen hatte die gut situierte Doktorenschaft vor der »schlechten Qualität« kubanischer Mediziner und »politischer Einflußnahme« gewarnt. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, wie sie zuvor von Rousseff durchgesetzt worden war, kritisierten Gegner als »Selbstmord der Medizin« in Brasilien. »Wir sind doch kein Aufnahmeland für ausländische Ärzte«, teilte kurz vor Ankunft der ersten Kubaner der Präsident des Medizinerverbandes im Bundesstaat Minas Gerais aus. Kollegen gab João Batista Soares gar die Anweisung, »Fehler der kubanischen Mitarbeiter nicht auszubügeln«, berichtete die Tageszeitung Estado de Minas. Statt »Patenonkel« für die Mediziner von der Karibikinsel zu spielen, fühle sich Brasiliens Ärzteschaft »allein dem Patienten verpflichtet«.

Einen Mediencoup gegen das Ärzteprogramm landete vor wenigen Tagen die christlich-konservative Oppositionspartei »Democratas« (DEM). Die kubanische Ärztin Ramona Rodríguez Matos, die seit Ende 2013 in der kleinen Stadt Pacajá im nördlichen Bundesstaat Pará im Einsatz gewesen war, hatte sich auf den weiten Weg in das über 1300 Kilometer entfernte Brasilia gemacht. In der dortigen US-Botschaft beantragte sie dann ihre Teilnahme am »Medical Professional Parole« (CMPP), einem 2006 von Washington eingerichteten Abwerbeprogramm. Mit dem wird »kubanischem Medizinerpersonal, das unter der Federführung der kubanischen Regierung in einem Drittstaat studiert oder arbeitet«, angeboten, »in die Vereinigten Staaten einzureisen«. Gebracht worden war Ródriguez zu ihrem Schritt von DEM-Senatoren, die sie anschließend bei einer Pressekonferenz als Opfer eines »Menschenhandel-Deals« präsentierten. Sie sei von den brasilianischen Behörden überwacht worden. »Ich wurde betrogen«, jammerte die 51jährige. Nur zehn Prozent der 4170 US-Dollar, welche die Dilma-Administration für Havannas Ärzte nach Kuba überweise, kämen bei ihr an. Zwar habe sie gewußt, daß 400 US-Dollar monatlich ausgezahlt würden, während sie die restlichen 600 US-Dollar ihres Monatslohnes bei der Rückkehr in die Heimat erhalte, »aber ich wußte nicht, daß die Lebenshaltungskosten in Brasilien so hoch sein würden«. Einen anderen Grund legte die Tageszeitung Folha de S. Paulo nahe: Rodríguez habe einen Geliebten in Miami.

Brasiliens Gesundheitsminister Arthur Chioro reagierte wütend. Die DEM, deren Vorläufer hinter den brasilianischen Militärdiktaturen stand, habe den Ausreisewunsch der Kubanerin »politisch ausgeschlachtet«. Ginge es nach der Opposition würden »22 Millionen Brasilianer ohne Gesundheitsversorgung bleiben«.

* Aus: junge Welt, Montag, 17. Februar 2014


Zurück zur Brasilien-Seite

Zur Brasilien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage