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Bulgarien – ein guter Arbeitsort?

Junge Auslandsbulgaren wollen in ein reformiertes Land zurückkehren

Von Irina Lazarova *

In den letzten fünf Jahren haben etwa eine Million Bulgaren ihre Heimat verlassen. Zudem werden weniger Kinder geboren, die Bürger werden immer älter. Die Regierung hat das Problem zu spät erkannt. Jetzt bemüht sie sich, hoch qualifizierte Bulgaren zurückzugewinnen. Die Bereitschaft der Absolventen, Berufswünsche in der Heimat zu realisieren, ist aber begrenzt.

Das Bevölkerungswachstum in Bulgarien liegt bei minus 0,5 Prozent pro Jahr. Immer mehr Menschen gehen in Rente – die Zahl derer, die die Rentenbeiträge zahlen, schwindet dagegen. Um das »Funktionieren« des Landes zu sichern, hat sich die bulgarische Regierung entschieden, zuerst die Bulgaren im Ausland anzusprechen, bevor sie Arbeitskräfte aus China oder Vietnam einlädt. Hauptpriorität haben die hoch qualifizierten Emigranten. Laut der Staatlichen Agentur für die Bulgaren im Ausland (SABA) wohnen etwa drei Millionen Menschen außerhalb der bulgarischen Grenzen; bei gerade einmal 7,5 Millionen Einwohnern. Mit Überweisungen von mehr als 2,7 Milliarden Euro pro Jahr tragen die Arbeitsmigranten erheblich zur Steigerung der Kaufkraft im Inland bei.

Eine präzise Statistik für »das zweite Bulgarien« ist schwer zu erstellen – die kurzfristigen Saisonarbeiter werden nicht berücksichtigt. SABA schätzt, dass sich die größte Diaspora der »ethnischen« Bulgaren in der Ukraine und der Türkei befindet, dort leben jeweils eine halbe Million Bulgaren. Die »neuen« Emigranten reisten nach 1989 vor allem in die USA (280 000) und nach Spanien (100 000) aus. Es folgen Südafrika, Kanada und Deutschland. Nach Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wohnen in Deutschland fast 54 000 Bulgaren, mehr als 12 000 von ihnen studieren. Damit besetzen sie nach den Chinesen Platz zwei unter den ausländischen Studenten in Deutschland, so der Deutsche Akademische Austauschdienst.

Die staatliche bulgarische Agentur für Jugend und Sport hat zusammen mit der Europäischen Kommission 2008 das Internetportal back2bg.com ins Leben gerufen, um Akademiker im Ausland über Karrieremöglichkeiten in Bulgarien zu informieren. Gleichzeitig startete das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik (MAS) zusammen mit jobs.bg die Initiative »Bulgarien – ein guter Arbeitsort«. Mittels Videobotschaften will man eine Diskussion über die Vorteile, in Bulgarien zu arbeiten, initiieren. Die Job-Propaganda zeigt etwa 30 Manager aus »bekannten Unternehmen, die einen guten Ruf genießen« und ihren persönlichen Grund äußern, sich in ihrem Land zu entwickeln. Unter dem Motto »Weil der persönliche Erfolg Erfolg für Bulgarien ist« versucht man, junge Menschen zu motivieren.

Auch SABA bemüht sich, den Leitlinien der Regierung zu folgen: Die Organisation führt Umfragen durch und unterstützt Studentenvereine. Sie organisiert darüber hinaus das Praktikantenprogramm »Diaspora«, dessen Teilnehmer lernen sollen, wie die bulgarische Verwaltung funktioniert.

Am vorigen Wochenende organisierte das Sozialministerium Job-Börsen in Berlin und München, die etwa 400 bulgarische Studenten und Absolventen besuchten. Von mehr als 500 eingeladenen Unternehmern kamen allerdings nur zehn. Aus erster Hand bekamen Akademiker Informationen über einen Berufseinstieg bei Coca-Cola, Adecco, HP oder Lidl.

Trotz der Kampagnen der Regierung zeigt eine Untersuchung des Studentenvereins »Bai Ganyo«, die zehn Prozent der in Deutschland studierenden Bulgaren umfasst, dass die Mehrheit im Ausland zu bleiben bevorzugt. Nur vier Prozent wollen zurückzukehren.

Langfristig aber steigt die Bereitschaft, nach Hause zu gehen und dies ist für die Rückkehrer mit der Hoffnung verbunden, dass sich die Situation in Bulgarien verbessern wird. Bemängelt werden Korruption, die Inkompetenz und Bürokratie bei den staatlichen Institutionen, niedrige Entlohnung, Probleme im Sozialsystem sowie die schwache Infrastruktur. Argumente für eine Rückkehr sind dagegen Familie, Freunde und ein möglicher eigener Beitrag zur Entwicklung der Heimat.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Mai 2009


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