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Bulgarien verpachtet den USA Militärbasen

Proteste gegen Stützpunktabkommen in Sofia

Von John Dyer, Sofia

Bulgarien und die USA haben am Freitag [28. April 2006] ein Abkommen über Militärstützpunkte unterzeichnet. Viele Bulgaren fürchten, zum Ziel von Terroranschlägen zu werden. Die Regierung hingegen sieht wirtschaftliche Vorteile.


Die Zeiten haben sich geändert. Als USA-Präsident Bill Clinton 1999 Bulgarien besuchte, wurde er noch von einer jubelnden Menschenmenge empfangen. Bei der Ankunft von USA-Außenministerin Condoleezza Rice am Donnerstag in Sofia herrschte eine andere Stimmung. Eine Menschenmenge skandierte: »Yankee go home«.

Rice war anlässlich des NATO-Außenministertreffens nach Sofia gekommen. Am Freitag unterzeichnete sie gemeinsam mit ihrem bulgarischen Amtskollegen Iwailo Kalfin ein Abkommen, das den USA das Recht auf drei Militärstützpunkte und eine Lagereinrichtung in Bulgarien einräumt. Bei den Stützpunkten handelt es sich um die beiden Militärflughäfen in Besmer und Graf Ignatiewo sowie um den Truppenübungsplatz Nowo Selo. Sie sollen den Transfer von USA-Truppen in Krisengebiete im Nahen und Mittleren Osten sowie nach Zentralasien ermöglichen. Die Stützpunkte, die damit Aufgaben aufzugebender Stützpunkte in Deutschland übernehmen, sollen bis zu 2500 Soldaten beherbergen. Zum ersten Mal in der neueren Geschichte kommen damit fremde Truppen auf bulgarisches Territorium. Zu Zeiten des Warschauer Vertrages war Bulgarien ein so treuer Verbündeter der Sowjetunion, dass dort keine Truppen stationiert wurden.

Aufgerufen zum Protest hatte zwar die nationalistische Partei Ataka, doch sind es weniger nationalistische Gefühle, die mehr als tausend Bulgaren gegen die Stationierung von USA-Truppen demonstrieren ließen. »Die Menschen haben Angst vor den Militärbasen, weil sie Anschläge von Terroristen befürchten«, sagt Jordan Kolew, ein Teilnehmer der Demonstration gegen den Stationierungsvertrag. »Außerdem könnte es im Falle eines Krieges zwischen den USA und Iran gefährlich werden für unser Land.« Ein Großteil der bulgarischen Bevölkerung teilt seine Meinung.

Die Regierung unter dem Sozialisten Sergej Stanischew steht jedoch geschlossen hinter dem Abkommen. Dabei konnte sie sich in den Verhandlungen mit den USA nicht mit ihren eigenen Forderungen durchsetzen. Um zu verhindern, durch die USA in einen Krieg hineingezogen zu werden, hatte sie ein Vetorecht für die Entsendung von Truppen in Drittländer gefordert. Die USA wiesen dieses Ansinnen jedoch zurück. Ein anderer Streitpunkt bezog sich auf den juristischen Status von USA-Truppenangehörigen, die bulgarisches Recht brechen. Sofia verlangte von den USA das Recht, sie vor bulgarische Gerichte stellen zu können. Aber auch diese Forderung wiesen die USA ab.

Für die Regierung stehen vor allem wirtschaftliche Anreize im Vordergrund. Denn die drei überalterten Stützpunkte bleiben zwar in bulgarischer Hand, werden aber für zehn Jahre an die USA vermietet, die sie auch renovieren. »Bulgarien erhält die Gelegenheit, seine Militärbasen und seine Sicherheitsinfrastruktur zu modernisieren«, heißt es in einer Stellungnahme des Außenministeriums. »Außerdem erhalten die bulgarischen Soldaten angemessene Übungsbedingungen.« Auch die NATO begrüsst das Abkommen zwischen Bulgarien und den USA, auch wenn es sich nur um einen bilateralen Vertrag handelt. »Dieses Abkommen verbessert die Verteidigungsstellung der NATO«, sagt NATO-Sprecher James Appathurai.

* Aus: Neues Deutschland, 29. April 2006


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