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Strafe droht in Deutschland

In Chile verurteilter Sektenarzt Hopp könnte inhaftiert werden

Von Harald Neuber *

Hartmut Hopp wurde in Chile wegen Verbrechen in der Sektensiedlung Colonia Dignidad verurteilt. Dass er seine Strafe in Deutschland absitzen muss, ist nicht mehr ausgeschlossen.

Der ehemalige Arzt der Colonia Dignidad in Chile, Hartmut Hopp, könnte in absehbarer Zeit in Deutschland inhaftiert werden. Die Staatsanwaltschaft in Krefeld, wohin sich der 68-Jährige mit seiner Ehefrau Mitte 2011 geflüchtet hat, schließt die Vollstreckung eines Urteils der chilenischen Justiz nicht mehr aus. Ende Januar hatte der Oberste Gerichtshof des südamerikanischen Landes Hopp und weitere Straftäter der ehemaligen Sektensiedlung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Hopp müsste demnach wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch in mehreren Fällen eine fünfjährige Gefängnisstrafe antreten. Weil das Grundgesetz eine Auslieferung deutscher Staatsbürger in Artikel 16 aber verbietet und ein Ermittlungsverfahren in Deutschland nur schleppend voranging, wähnte sich Hopp nach seiner Flucht bislang sicher.

Die Colonia Dignidad war 1961 von dem evangelikalen Laienprediger Paul Schäfer gegründet worden. Nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende 1973 diente die Colonia Dignidad als Folterlager. Zudem wurden Kinder und Jugendliche systematisch sexuell missbraucht. Hopp soll daran beteiligt gewesen sein.

Angesichts der Debatte um eine Vollstreckung der Haftstrafe gingen der Arzt und sein Anwalt Helfried Roubicek nun in die Offensive. Der Journalist Sebastian Peters von der »Rheinischen Post« zitiert aus einer schriftlichen Erklärung, in der die Vorwürfe zurückgewiesen werden. Er sei an keiner der ihm zur Last gelegten Straftaten beteiligt gewesen, bekräftigte demnach Hopp, der zugleich die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens in Chile in Frage stellte.

Gegenüber »nd« trat der zuständige Oberstaatsanwalt Axel Stahl diesen Positionen am Freitag entgegen. Die über seinen Anwalt verbreitete Stellungnahme Hopps zur chilenischen Justiz sei »zunächst nicht mehr als die Bewertung eines in diesem Land rechtskräftig verurteilten Straftäters«, sagte Stahl. Auch in Deutschland würden verurteilte Delinquenten die Rechtsstaatlichkeit ihrer Verfahren immer wieder anzweifeln. Der Staatsanwaltschaft Krefeld lägen jedoch keine Erkenntnisse vor, die das Verfahren und das Urteil gegen Hopp in Chile in Zweifel stellen, so Stahl weiter. Mit der Stellungnahme sollten offenbar die ersten Pflöcke einer künftigen Verteidigungsstrategie eingeschlagen werden.

Von einer Anklageerhebung und einem eigenen Verfahren in Deutschland geht der Staatsanwalt jedoch nicht aus. Die bisherige Befragung von Zeugen reiche nicht aus, um einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen. Die Vollstreckung des chilenischen Urteils ist ein von einem deutschen Prozess unabhängiges Verfahren.

Auf politischer Ebene rückt die Bundesregierung derweil von ihrer bisherigen Blockadehaltung gegenüber den Forderungen der Leidtragenden des Terrorregimes in der Deutschensiedlung ab. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele erklärt die Bundesregierung, sie sei sich »des Leids der Opfer der Colonia Dignidad sehr bewusst«. Mit dem chilenischen Museum für Erinnerung und Menschenrechte prüfe man derzeit Projekte, um die Erinnerung an das begangene Unrecht zu bewahren.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 6. April 2013


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