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Fälscher am Werk

Chile: Tageszeitung wirft Generalsekretärin der Kommunistischen Jugend mit falschem Foto Beteiligung an Krawallen vor. Linke will Oppositionsbündnis

Von Lena Kreymann *

Mit Empörung hat die Kommunistische Partei Chiles auf eine Falschmeldung der Tageszeitung Publimetro reagiert. Das Blatt hatte am Freitag auf seiner Internetseite ein Foto veröffentlicht, das eine vermummte Frau zeigt. Bei der Abgebildeten handelte es sich der Zeitung zufolge um Karol Cariola, die Generalsekretärin des Kommunistischen Jugendverbandes JJ.CC., die so an einer Kundgebung aus Anlaß des Internationalen Frauentages teilgenommen habe. Nach der Demonstration war es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen, bei denen ein Beamter verletzt wurde. Während Publimetro nahelegte, die Jungkommunistin sei an den Ausschreitungen beteiligt gewesen, hatte Cariola zu diesem Zeitpunkt bereits an einer Veranstaltung in Recoleta, einer Gemeinde in der Umgebung der Hauptstadt Santiago de Chile, wie deren ebenfalls anwesender Bürgermeister bestätigte, teilgenommen. Auf einer Pressekonferenz betonte Karol Cariola zudem, »daß wir es nicht nötig haben, unsere Gesichter zu verstecken, wenn wir demonstrieren«. Auch Publimetro räumte inzwischen auf der eigenen Homepage ein, daß es sich um eine Falschmeldung gehandelt habe und veröffentlichte eine Stellungnahme Cariolas. Trotzdem behalten sich diese und ihre Partei rechtliche Schritte gegen die Zeitung vor. Es habe sich um die irreparable Rufschädigung einer in der Öffentlichkeit stehenden, jungen Kommunistin gehandelt.

Karol Cariola tritt bei den Parlamentswahlen Ende 2013 in den Gemeinden Recoleta und Independencia als Kandidatin für das Abgeordnetenhaus an, ebenso wie ihre Genossin Camila Vallejo. Diese war im Zuge der Studentenproteste 2011 international bekannt geworden. Im vergangenen Jahr informierten die beiden jungen Politikerinnen bei einer Rundreise durch Europa unter anderem in mehreren deutschen Städten über die Bildungsproteste in Chile.

Die Kommunistischen Partei will zu den bevorstehenden Wahlen, bei denen auch über den künftigen Präsidenten entschieden wird, eine fortschrittliche Allianz aufbauen. In der Parteizeitung El Siglo unterstrich der Vorsitzende der KP, Guillermo Teillier, am 15. Februar: »Die Kommunistische Partei wird alles tun, um den Einigungsprozeß in der Opposition zu beschleunigen, um die Rechte aus La Moneda (Präsidentschaftspalast in Santiago, Anm. d. Red.) zu vertreiben.« In diesem Kontext erklärte er sich auch zu Gesprächen mit der Partido Progresista des einstigen Schauspielers und Präsidentschaftskandidaten von 2009, Marco Enríquez-Ominami, bereit. Ziel ist dabei vor allem die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung nach venezolanischem, ecuadorianischem und bolivianischem Vorbild. Die derzeit gültige Verfassung stammt im Kern noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur und schränkt zahlreiche Freiheitsrechte ein.

Hauptgegner der Linken bei den Wahlen ist der amtierende Präsident Sebastián Piñera mit dessen rechtem Wahlbündnis »Alianza por Chile«. Dieses mußte bereits bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober schwere Einbußen hinnehmen und regiert nun nur noch in 121 statt wie bisher in 144 Gemeinden. Die Opposition lenkt jetzt 168 statt 147 Kommunen. Die spanische Tageszeitung El País kommentierte das damals als »historische Niederlage« für den Staatschef und Multimilliardär, der sich wegen seiner Anteile an einem Fernsehsender und einem Fußballclub den Ruf als »Berlusconi Chiles« eingehandelt hat, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung anmerkt. Teillier kritisierte den Kurs des Präsidenten am vergangenen Sonntag aus Anlaß des Jahrestags der Machtübernahme Piñeras: »Dies ist eine Regierung, die sich in ihrem dritten Jahr ohne klare Linie, dafür mit zahlreichen internen Konflikten präsentiert.«

Die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl Ende 2013 sind noch nicht nominiert. Piñera kann nach vier Jahren Amtszeit nicht wieder unmittelbar für das höchste Staatsamt antreten. Für das Mitte-Links-Bündnis Concertación Democrática könnte jedoch die bereits von 2006 bis 2010 amtierende Präsidentin Michelle Bachelet noch einmal antreten. In Umfragen gilt sie nach wie vor als die beliebteste Politikerin Chiles.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 13. März 2013


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