Obama umgarnt Bachelet
Chiles Präsidentin reagiert positiv auf Washingtons Avancen
Von Ingo Niebel *
Der neue US-Präsident Barack Obama setzt seine weltweite Charmeoffensive auch mit Blick auf Südamerika fort - und scheint damit einen Teilerfolg errungen zu haben. Die Gelegenheit, das Image der USA zu verbessern und einen der wenigen verbleibenden Verbündeten an sich zu binden, bot sich beim Staatsbesuch der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet in Washington am vergangenen Mittwoch. Bei der traditionellen Pressekonferenz mit der Sozialistin unterstrich Obama den Modellcharakter, den Chile und Brasilien für die Region besäßen.
Obamas politische Avancen, die den USA neuen Spielraum in Südamerika verschaffen sollen, waren wichtiger als die Abkommen zur Nutzung alternativer Energien und zur Bekämpfung der sogenannten Schweinegrippe, die er mit Bachelet abschloß. Der Kernsatz des US-Präsidenten lautete: »Ich glaube, das ist das Modell, das wir wollen: Eine Allianz, ohne daß die USA Chile diktieren, wie es seine eigenen Interessen zu verteidigen hat.« Über die Rolle seines »wichtigsten Partners« führte der Neue im Weißen Haus aus: »Ich hoffe, daß Präsidentin Bachelet uns berät, wie wir die Beziehung, die wir zu Chile unterhalten, auf die restlichen Nationen in Lateinamerika ausdehnen können.« Trotz dieser Annäherungsversuche unterließ es Obama, sich für den CIA-gesteuerten Putsch gegen Salvador Allende (1973) und die daraus resultierende Militärdiktatur von Augusto Pinochet zu entschuldigen. Er wolle lieber nach vorne schauen und nicht rückwärts, antwortete der US-Präsident auf eine Journalistenfrage. Bachelets Vater, ein General, stand treu zu Allende. Er starb an den Folgen der brutalen Folter.
Chiles »Primera Dama« reagierte positiv auf Obamas Avancen. Zum einen brach sie eine Lanze für die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die weiter gestärkt werden solle. Die OAS ist seit ihrer Gründung 1948 ein Instrument der US-Politik gewesen, mit dem sie den lateinamerikanischen »Hinterhof« kontrollierte. Eben jene Institution soll jetzt dazu benutzt werden, so Bachelet, um die Länder »zu einer besseren Demokratie und einer neuen Etappe der regionalen Zusammenarbeit« zu führen. Bachelet gibt der OAS Vorrang vor der UNASUR, der Vereinigung Südamerikanischer Staaten, deren Vorsitz sie gerade innehat. Die eindeutige Positionierung der Chilenin dürfte die Widersprüche zwischen den US-nahen Staaten und den progressiven Staaten der Region, die sich in der Bolivarischen Allianz für die Amerikas (ALBA) zusammengeschlossen haben, weiter verstärken.
Bei der Pressekonferenz mit Bachelet sprach Obama auch positiv über seinen brasilianischen Amtskollegen. »Präsident Inazio Lula da Silva kam von der Gewerkschaft; er wurde als starker Linker wahrgenommen«, stellte der US-Präsident fest und fügte hinzu, daß er im Endeffekt »eine sehr pragmatische Person ist, die Beziehungen quer durch Lateinamerikas politisches Spektrum unterhält und alle Arten von Marktreformen eingeführt hat, die Brasilien wohlhabend machten«.
In dem Schwellenland konnte zwar auch Lula den Unterschied zwischen Arm und Reich nicht spürbar reduzieren, aber um seine Gunst buhlen die USA und EU aus geostrategischen Gründen weiterhin. Beim G-20-Gipfel im März nannte Obama ihn sogar »meinen richtigen Mann«. Der Brasilianer reagierte jetzt auf seine Art, um den US-Amerikaner und die Chilenin in ihre Schranken zu weisen. Letztere erzürnte er damit, daß die brasilianische Regierung wegen der »Schweinegrippe« in Chile eine Reisewarnung erließ. Und Lula fuhr in Obamas Anti-Iran-Parade, als er zum zweiten Mal innerhalb einer Woche seinen iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad vor dem Vorwurf des Wahlbetrugs in Schutz nahm. Mit Blick auf das eigene Land sagte er, in Brasilien käme der Verdacht auf Wahlfälschung auf, wenn der Unterschied zwischen den Kandidaten bei ein bis zwei Prozent liegt. Da Ahmadinedschad mit fast doppelt so viel Stimmen wie sein Rivale Mirhossein Mussawi gewonnen hat - 62 Prozent zu 34 Prozent - schließt Lula die Möglichkeit des Wahlbetrugs aus.
* Aus: junge Welt, 29. Juni 2009
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