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Von Bäuerinnen für Bäuerinnen

In Chile gründeten Frauen ein Schulungsinstitut für ökologischen Landbau. Kleine Produzenten im Fokus

Von Marianela Jarroud, IPS *

Eine Organisation aus rund 10000 chilenischen Farmerinnen hat kürzlich die Gründung eines Instituts bekanntgegeben, das den Bäuerinnen Südamerikas Kenntnisse über den ökologischen Landbau vermitteln soll. Das Agrarökologieinstitut der Landfrauen (IALA) ist das derzeit ehrgeizigste Projekt der Nationalen Vereinigung ländlicher und indigener Frauen (ANAMURI) und das erste Lateinamerikas, das sich ausschließlich an Frauen richtet.

Umgesetzt werden soll es in Auquinco, einem Dorf im Bezirk Chépica rund 180 Kilometer südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago. Das Schulgebäude, ein alter Bauernhof, der durch ein Erdbeben im Jahr 2010 schwer beschädigt wurde, soll noch in diesem Jahr saniert werden. ANAMURI hatte ihn zusammen mit einem Hektar Land vor einigen Jahren für 23000 US-Dollar erworben. »In diesem Jahr wollen wir die Instandsetzung mit Hilfe von Freiwilligen abschließen«, berichtet ANAMURI-Organisatorin Alicia Muñoz. Unabhängig davon sind die ersten Kurse bereits angelaufen.

»Uns geht es weniger darum, einen Traum zu leben, als uns einer wichtigen Herausforderung zu stellen«, meint die IALA-Verantwortliche und internationale ANAMURI-Leiterin Francisca Rodríguez. Das Projekt soll zum übergeordneten Ziel der weltweiten Ernährungssicherheit beitragen. »Es geht darum, Wege zu finden, die das Überleben der Landwirtschaft in einer Zeit gewährleisten, in der kleinbäuerliche Familienbetriebe schwer zu kämpfen haben.«

Die IALA-Schulung zielt deshalb auf den Schutz der familiären Landwirtschaft, wie Rodríguez erläutert. Das Projekt dient der Unterstützung der Aktivitäten der Lateinamerikanischen Agrarökologieinstitute, die in Venezuela ihren Anfang nahmen und bereits die ersten Agraringenieure – allesamt Kinder von Kleinbauern – hervorbrachten. In Brasilien, Paraguay, Ecuador und der gesamten Andenregion laufen bereits ähnliche Kurse. Der letzte große Vorstoß, den diese Institute unternahmen, war die Gründung der Bauernuniversität SURI in Argentinien im April 2013. Für die Ernährungssouveränität der Region sei es unverzichtbar, daß es auch Agrarexperten gebe, die kleine Bauern beraten können, so Rodríguez.

Im Rahmen von IALA werden in einem ersten Schritt ausschließlich Frauen fortgebildet. Später könnten aber auch Männer zugelassen werden, die in der Geschichte der chilenischen Landwirtschaft traditionell dominieren. Die Frauen werden lediglich mit Haushaltsführung, Kindererziehung, Geflügelzucht und der Verarbeitung der Erzeugnisse in Verbindung gebracht. Die Bedeutung der von ihnen betriebenen Gemüsegärten (Huertas) wird häufig ignoriert. »Jede Huerta, jede Form der familiären Landwirtschaft setzt Artenvielfalt voraus sowie das Bedürfnis, das Genmaterial zu schützen, das eigene Saatgut zu reproduzieren und den größten Nutzen aus den lokalen Ressourcen zu ziehen«, betont Juan Carlos Skewes, Leiter der anthropologischen Fakultät der Alberto-Hurtado-Universität in Santiago. Ebenso wichtige Aspekte seien die Selbstversorgung und die Stärkung der lokalen Wirtschaft. Nach Ansicht von Skewes spielen gerade Bäuerinnen als »Hüterinnen indigener Saaten« eine Schlüsselrolle.

Die Mitglieder von ANAMURI sind zuversichtlich, daß es ihnen die neue Regierung unter Führung der Sozialistin Michelle Bachelet ermöglicht, ihre Pläne umzusetzen. Darüber hinaus hoffen sie auf die Unterstützung der Vereinten Nationen, die 2014 zum Internationalen Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft ausgerufen haben. »Es gibt viele Menschen, die aufs Land zurückkehren«, meint Rodríguez und fügt hinzu: »Solange das so ist, gibt es Hoffnung.«

[www.anamuri.cl]

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. Februar 2014


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