Strategische Partnersuche
Der aktuelle Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Afrika dient vorrangig der Sicherung dringend benötigter Rohstoffimporte. USA werden langsam nervös
Von Wolfgang Pomrehn*
Schon zum zweiten Mal in seiner bisherigen dreijährigen Amtszeit besucht Chinas Präsident Hu Jintao derzeit Afrika. Nach Besuchen in Marokko und Nigeria hält Hu sich seit Freitag in Kenia auf, das als letzte Station auf dem Programm steht. Außer Hu haben auch Premierminister Wen Jiabao und andere hochrangige Regierungsmitglieder in den letzten Jahren eine rege Reisetätigkeit auf diesem Kontinent entwickelt und damit die besondere Bedeutung demonstriert, die man in China der diplomatischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten beimißt.
Von besondere Wichtigkeit ist dabei für die Volksrepublik natürlich die Versorgung mit Rohstoffen. China importiet derzeit 40 Prozent seines Erdölbedarfs, aber auch die meisten Erze und anderen Vorprodukte für seine boomende Exportindustrie und Bauwirtschaft müssen eingeführt werden. Insofern sind die Beziehungen zu Nigeria mit seinen reichen Ölvorkommen im Nigerdelta und in den Küstengewässern von besonderer Bedeutung. Das Land ist Afrikas größter Rohölexporteur. Aus seinen Quellen kamen im vergangenen Jahr etwa drei Prozent der globalen Förderung. Erst im Januar hatte eine der großen chinesischen Ölgesellschaften, die China National Offshore Oil Corporation, für 2,3 Milliarden US-Dollar einen 45-Prozent-Anteil an einem Feld vor Nigerias Küste erworben. Den Preis hatte seinerzeit der indische Mitbewerber ONGC in die Höhe getrieben. Inzwischen haben Peking und Neu Delhi allerdings ein Kooperationsabkommen unterschrieben, mit dem künftig derartige Konkurrenzen zwischen ihren staatlichen Energiekonzernen ausgeschlossen werden sollen.
Wettkampf um Ressourcen
Doch das heißt nicht, daß Staaten wie Nigeria oder Sudan, wo es bereits ene indisch-chinesische Kooperation bei der Ausbeutung von Erdölfeldern gibt, künftig mit niedrigeren Preisen für ihre Konzessionen rechnen müssen. Schließlich bemühen sich auch europäische und US-amerikanische Konzerne verstärkt um den Zugriff auf die reichen Ölvorkommen unter dem westafrikanischen Schelf. In den USA bekommt man daher bereits kalte Füße wegen Chinas Einflusses in Afrika. Die Volksrepublik bezieht rund 28 Prozent ihrer Ölimporte von dort, vor allem aus Angola, dem Kongo und dem Sudan, wo es mit rund vier Milliarden US-Dollar der größte ausländische Investor ist. In den USA warnte kürzlich der einflußreiche Rat für Außenbeziehungen (Council on Foreign Relations) vor Chinas aktiver Afrika-Politik und riet der Regierung, endlich Afrikas strategischer Bedeutung Rechnung zu tragen. Ab 2010 könnte Afrika den USA genausoviel Öl liefern wie der Nahe Osten.
Die Pekinger Regierung versucht unterdessen, die aufkeimenden Rivalitäten runterzuspielen, beteiligt sich brav an den vom Westen initiierten UN-Blauhelmmissionen und tritt auf der diplomatischen Ebene leise. Als im März 2005 EU und USA eine gegen den Sudan gerichtete Resolution im UN-Sicherheitsrat einbrachten, enthielt man sich einfach der Stimme. Statt dessen baut man lieber in aller Stille den Handel weiter aus. Und zwar rasant: Um 58,9 Prozent wuchs der Warenaustausch zwischen der Volksrepublik und den afrikanischen Staaten 2004. In den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres waren es weitere 39 Prozent. Inzwischen dürfte der Umfang mehr als 30 Milliarden US-Dollar betragen. Das ist immer noch vergleichsweise wenig, aber der starke Trend hält an. Im Pekinger Handelsministerium geht man davon aus, daß binnen fünf Jahren die 100-Milliarden-Dollar-Marke erreicht sein wird. Erst im Januar hatte die chinesische Regierung eine neue Afrika-Strategie veröffentlicht, in der sie die Gleichberechtigung der Beziehungen und die Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen betont. Die Volksrepublik verspricht, ihre Grenzen weiter für afrikanische Produkte zu öffnen. Bestimmte Warengruppen aus den am wenigsten entwickelten Staaten sollen schon bald zollfrei importiert werden. Auch eine künftige Freihandelszone mit Afrika kann man sich in Peking vorstellen. Doch dahin dürfte es noch ein langer Weg sein. Derzeit haben viele afrikanische Industrien Probleme, in der Konkurrenz mit den chinesischen Importen zu bestehen.
China erläßt Schulden
In den vergangenen Jahren hat die Volksrepublik einigen afrikanischen Staaten Schulden erlassen. Nach dem sie inzwischen den weltgrößten Devisenschatz im Wert von etwa 850 Milliarden US-Dollar hält, ist sie ohne weiteres in der Lage, weiteren Schuldenerlaß zu versprechen. Zugleich will Peking sich dafür einsetzen, daß die Industriestaaten dem chinesischen Vorbild folgen. Außerdem stellt China, selbst noch in vielerlei Hinsicht ein Entwicklungsland, den afrikanischen Staaten Entwicklungshilfe in Aussicht. Schließlich will die chinesische Regierung gemeinsam mit den afrikanischen Ländern dafür werben, daß innerhalb der Vereinten Nationen der Entwicklungspolitik mehr Gewicht beigemessen und die Süd-Süd-Zusammenarbeit ausgebaut wird. Dabei gehe es nicht zuletzt um die sogenannten Millenniumsziele der UNO zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Analphabetismus.
* Aus: junge Welt, 29. April 2006
Zurück zur China-Seite
Zur Afrika-Seite
Zurück zur Homepage