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Afrika zu Gast in Peking

China will Beziehungen zum "schwarzen Kontinent" ausbauen

Von Anna Guhl, Peking *

Keine Veranstaltung im neuen China soll bisher so umfangreich und hochrangig besetzt gewesen sein wie der 3. Gipfel des China-Afrika-Kooperationsforums (FOCAC) am Wochenende (4./5. November) in Peking.

Alle 48 afrikanische Staaten, mit denen China diplomatische Beziehungen unterhält, hatten seit langem ihre Teilnahme zum Gipfel zugesagt. 42 von ihnen werden durch ihre Staats- bzw. Regierungschefs vertreten sein. Rund 3000 Gäste aus Afrika erwartetet Peking insgesamt. Rund 1250 Journalisten meldeten sich an, davon allein 388 aus afrikanischen Staaten. Die Stadt bereitet sich seit Wochen auf das diplomatische Großereignis vor. Mehr als 20 Fünf-Sterne-Hotels stehen bereit; tausende Freiwillige werden zum Einsatz kommen. Erstmalig gab die Pekinger Stadtregierung ausführliche Verkehrsvorhersagen für alle Straßen vom Internationalen Flughafen bis in die Innenstadt und das unmittelbare Stadtzentrum heraus. Die staatlichen Institutionen wurden angewiesen, über 80 Prozent ihres Wagenparks für die Zeit des Gipfels still zu legen. Tausende von Privatfahrern erklärten sich bereit, in den nächsten Tagen auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Ganz Peking zeigt sich im Festtagsgewand: Palastlaternen entlang der Protokollstrecken, Blumen auf allen Plätzen, Afrikamotive auf den zahlreichen Bauzäunen, und selbst das Wetter gibt sich erstaunlich mild und sonnig. Und die verstärkte Armee- und Polizeipräsenz in der Stadt lässt erahnen, dass es mit Blick auf Olympia 2008 auch um eine Art Generalprobe in Sachen Sicherheit geht.

Die Einrichtung des Forums geht auf eine Initiative des ehemaligen chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin aus dem Jahr 1999 zurück. Auf dem ersten FOCAC-Ministertreffen ein Jahr später in Peking mit Vertretern aus 41 afrikanischen Staaten wurden in der »Pekinger Deklaration« die Grundsätze des zukünftigen Umgangs miteinander formuliert: Gleichberechtigt und zum allseitigen Nutzen wollten sich China und die afrikanischen Staaten von nun an für eine gerechte Weltordnung einsetzen. Ging es der Volksrepublik China in ihren Anfangsjahren um ideologische Einflussnahme auf dem afrikanischen Kontinent und das Bemühen, sich als »Sprachrohr« sowohl gegenüber dem Westen als auch gegen den wachsenden politischen Einfluss der Sowjetunion zu profilieren, bestimmen heute rein pragmatische Wirtschafts- und Politikinteressen das Verhältnis. Hoch profitabel will Peking die Wirtschaftskooperation für beide Seiten gestalten. Afrikanische Staaten verkaufen mit großem Gewinn ihre reichhaltigen Naturressourcen, wobei Peking hier vor allem die ergiebigen Energievorräte wie Erdöl im Auge hat, und China exportiert im Gegenzug die gerade für diesen Markt passenden Produkte seiner Leicht-und Konsumgüterindustrie.

Der für Afrika zuständige Vizeaußenminister Zhai Jun zeichnete in Vorbereitung der Konferenz ein durchaus eindrucksvolles Bild chinesisch-afrikanischer Zusammenarbeit: Verfünffacht habe sich der Handelsumsatz, auf 50 Milliarden US-Dollar seit 2000. Bis 2010 sei eine weitere Verdopplung geplant. Über sechs Milliarden US-Dollar habe China in mehr als 900 Projekte investiert. Über 800 Unternehmen unterhält das Land auf dem Kontinent. 2000 Kilometer Eisenbahnstrecke und 3000 Kilometer Autostraßen gehen auf das chinesische Konto. Der Kritik aus dem westlichen Ausland, China betreibe »Neokolonialismus« und setze sich über Menschenrechts- und Umweltschutzstandards hinweg, hält Zhai entgegen, China habe in Höhe von 10,9 Milliarden US-Dollar 31 Staaten Schulden erlassen. 30 der ärmsten Länder erhalten zahlreiche Produkte zollfrei. Über 700 Entwicklungshilfeprojekte betreibe China in Afrika. Darüber hinaus habe man das Versprechen aus dem Jahr 2000 eingehalten und 14 600 Spezialisten in Afrika ausgebildet sowie 15 000 Frauen und Männer des medizinischen Personals entsandt.

Die Kooperation Chinas mit repressiven Regimes in Afrika und seine Kreditgeschäfte, die nicht an gute Regierungsführung geknüpft sind, sorgen trotzdem für Kritik. Amnesty International etwa forderte Peking jetzt auf, bei Investitionen und im Handel den Menschenrechten »allerhöchste Bedeutung beizumessen«. Seine Zusammenarbeit etwa mit Sudan, einem wichtigen Öllieferanten, habe die Lage der Bürgerrechte dort noch verschlechtert. China müsse zudem seine Waffenlieferungen an die Konfliktparteien beenden.

Unabhängige Beobachter konstatieren aber auch, dass »Chinas Hilfe durchaus zur Armutsbekämpfung und Verbesserung der Infrastruktur in Afrika beiträgt«. Jeffrey Sachs vom United Nations Millennium Projekt lobte vor kurzem Pekings Engagement, es würde »weniger belehren, dafür mehr praktische Hilfe geben«. Konsequent, so Außenminister Zhai, werde sich China auch weiterhin an das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten halten. Damit bietet sich das Land als interessante Alternative zu Europa und USA an. Das sehen auch jene afrikanische Staaten, die weiterhin mit Taiwan diplomatische Beziehungen unterhalten. Wobei die meisten Regierungen, so Beobachter hier in Peking, natürlich vor allem auf lukrative Finanzspritzen hoffen. Geschickt und vor allem schnell bemüht sich China, die Lücke zu schließen, die die westliche Welt nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen in Sachen Förderung bürgerlicher Demokratieentwicklung auf dem afrikanischen Kontinent hinterlassen hat.

* Aus: Neues Deutschland, 4. November 2006

Konferenz des Tages: China-Afrika-Forum **

China umwirbt zunehmend die Staaten Afrikas, des Kontinents »der Mythen und Wunder«, wie es derzeit auf den überdimensional großen Postern in Peking heißt, wo für dieses Wochenende eine drei Tage dauernde Mammut-Konferenz mit den politischen Führern von 48 der 53 afrikanischen Staaten annonciert wird. Die Teilnahme von 40 Staatsoberhäuptern unterstreicht die Bedeutung, welche die Afrikaner dem unter dem Namen »China-Africa-Forum« firmierenden, gigantischen, diplomatischen Ereignis beimessen. Der offizielle Zweck der Veranstaltung ist die Ausweitung des Handels, denn das wirtschaftlich rasch expandierende China hat einen riesigen Appetit für alle Arten von Rohstoffen, vor allem für Öl. Afrika hat diese Rohstoffe und im Gegenzug bietet China den Afrikanern Hilfe beim Auf- und Ausbau von Infrastrukturprojekten, wie Straßen und Eisenbahnen, oder Schulen und Krankenhäusern an. Und im Unterschied zu den westlichen imperialistischen Staaten mit ihren Herrenmenschenallüren stellt China den afrikanischen Ländern keine politischen Bedingungen und mischt sich auch nicht in deren interne Angelegenheiten ein.

»Die westliche Art, anderen Ländern die eigenen Werte und das eigene politische System aufzuzwingen, ist für China nicht akzeptabel. Wir konzentrieren uns auf gegenseitige Entwicklung und nicht darauf, ein Land auf Kosten des anderen zu fördern«, erklärte der Afrika-Spezialist Wang Hongyi vom chinesische Institut für Internationale Studien im Vorfeld der Konferenz. Zum Ärger des Westens erfreut sich China deshalb in Afrika einer großen und wachsenden Beliebtheit, eine Entwicklung, die von den neidisch-mißtrauischen Augen der westlichen Imperialisten begleitet wird. So beschweren sich inzwischen westliche Finanzkonzerne, daß sich China bei der Kreditvergabe nicht an westliche Restriktionen hält. Westliche Ölkonzerne monieren, daß sie im Afrika-Busineß von chinesischen Staatsunternehmen ausgestochen werden. Und die New York Times warnte am Freitag, daß der »inoffizielle Zweck des China-Afrika-Forums die Umgestaltung der strategischen Weltkarte« sei.

* Aus: junge Welt, 4. November 2006




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