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Die strategischen Menschen von Sezuan

Peking investiert Milliarden in Afrika und sichert sich so den Zugang zu den Ressourcen des Kontinents

Von Fabian Lambeck *

Billiges Geld und gute Infrastruktur gegen Marktzugang und Bodenschätze: Die chinesisch-afrikanischen Handelsbeziehungen sind pragmatisch und bringen den Afrikanern mehr als die dürftige Entwicklungshilfe des Westens.

Der Regen hat die Straße von Debark, einer kleinen Stadt im äthiopischen Simien-Gebirge, völlig aufgeweicht. Der zähe Schlamm macht jeden Schritt schwer, insbesondere für die Bauern, die ihre Erzeugnisse auf den hiesigen Markt bringen. Doch die chinesischen Straßenbau-Ingenieure und ihre äthiopischen Helfer haben sich bereits bis auf wenige Kilometer an Debark herangearbeitet. Bald wird es auch hier, im armen Nordwesten des Landes, eine asphaltierte Straße geben.

Nicht nur im Simien-Gebirge sind die Chinesen aktiv. Ganz Äthiopien wird derzeit mit einem Netz aus Asphaltstraßen überzogen. Zum ersten Mal in seiner mehr als 2000-jährigen Geschichte wird das afrikanische Land über ein stabiles Verkehrsnetz verfügen. Doch die Chinesen beschränken ihr Engagement nicht auf Äthiopien. Überall im subsaharischen Afrika sind chinesische Ingenieure und Bauarbeiter damit beschäftigt, Straßen- und Schienenwege auf Vordermann zu bringen. Hinzu kommt der Bau von Staudämmen, Brücken und Stromtrassen. Als »Neokolonialismus« beschimpfen Vertreter westlicher Staaten das Engagement der Chinesen.

Natürlich investieren hier nicht die guten Menschen von Sezuan, die Bertolt Brecht einst in seinem gleichnamigen Lehrstück suchte, sondern Akteure mit strategischen Interessen. Doch im Gegensatz zum Westen, der seine Interessen oft mit militärischen Mitteln sichert, verfolgen die Chinesen ihre Ziele mit kaufmännischem Geschick. So dienen die Investments in Afrika natürlich der Rohstoffsicherung. Öl, Metalle, Holz und Agrarrohstoffe - darum geht es. Zudem verschafft sich China so auch Zugang zu den lokalen Absatzmärkten. Im Jahr 2010 betrug das Handelsvolumen zwischen China und dem Kontinent bereits 120 Milliarden US-Dollar.

Die Finanzierung erfolgt nicht selten über billige Kredite chinesischer Banken. So vergeben die Institute aus dem fernen Osten mittlerweile mehr Kredite an afrikanische Staaten als die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (IWF) - und das zu günstigeren Konditionen.

Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sieht die Sache nüchtern. In einer Studie heißt es, die Ausweitung der chinesischen Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Afrika sei »lediglich ein weltweiter Trend der Angebotserweiterung von Entwicklungsfinanzierungen und -leistungen«. Die niedrigen Kreditzinsen »eröffnen Nehmerländern preiswerte Alternativen zu Krediten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds«. Zudem sei nicht alles nur reines Geschäft. Die Autoren sprechen von »fließenden Übergängen zwischen Entwicklungshilfe- und Wirtschaftskrediten«.

Für die afrikanischen Länder eröffnet sich so eine Möglichkeit, die strengen Auflagen, die Weltbank und IWF mit ihren Krediten verbinden, zu umgehen. In der Vergangenheit gab es nur Geld, wenn die Staaten bereit waren, neoliberale Reformen durchzuführen - mit katastrophalen Folgen für die Kreditnehmer.

Natürlich hat das Engagement der Chinesen seine Schattenseiten: Umweltstandards oder Menschenrechte spielen in den strategischen Erwägungen Pekings keine Rolle. Aber sind westliche Konzerne hier wirklich besser? Wohl kaum.

Afrikanischen Staaten bietet sich zudem die Chance, den schwächelnden Westen und das aufstrebende China gegeneinander auszuspielen. Denn die westlichen Staaten müssen ihr Engagement für Afrika ausbauen, wenn sie den Zugang zu den Ressourcen des Kontinents nicht verlieren wollen. Von diesem bislang noch friedlichen Wettstreit könnten vor allem die Afrikaner profitieren.

* Aus: neues deutschland, 3. Februar 2012


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