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China rettet die Alte Welt

Künftiger chinesischer Ministerpräsident auf Europabesuch

Von Georg Ackermann, Singapur *

China kauft die Staatsanleihen schwächelnder Euroländer. Denn das Reich der Mitte ist an einer stabilen EU interessiert. Gleichzeitig verringert es so die Abhängigkeit vom Dollar.

China packt das Scheckbuch aus und Europa freut sich. Li Keqiang, designierter Nachfolger von Regierungschef Wen Jiabao, besucht diese Woche Spanien, Großbritannien und Deutschland. In Spanien sicherte der derzeitige Vize-Regierungschef der spanischen Regierung gestern am Rande seines Staatsbesuchs zu, das Paket der Anleihen künftig noch aufzustocken, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua aus Madrid berichtete. »China ist ein verantwortungsbewusster und langfristiger Investor, sowohl im europäischen als auch im spanischen Markt«, so Li.

Man werde sich an weiteren »konzertierten Aktionen« beteiligen, um die europäischen Finanzmärkte zu stabilisieren. Das versprach Wang Qishan, der in der Regierung für Finanzen und Wirtschaft zuständig ist, kurz vor Weihnachten. Bereits während der Griechenlandreise Wen Jiabaos und dem Staatsbesuch von Staatschef Hu Jintao in Portugal Ende vergangenen Jahres deckte China sich im großen Stil mit Euro-Bonds ein. Das Journal de negócios berichtete, China werde im 1. Quartal diesen Jahres vier bis fünf Milliarden Euro in Portugal-Anleihen investieren.

Das Euro-Investment macht Sinn, ist doch die EU der bei Weitem größte Handelspartner der Volksrepublik. Güter im Wert von 320 Milliarden Euro wurden in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres ausgetauscht, ein Anstieg von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Xu Xianping von der nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, dem Planungsbüro der Regierung, schreibt in der Zeitung »China Daily«, dass sich die beiden Partner wirtschaftlich perfekt ergänzen. Dabei erwähnt er vor allem Umwelttechnologien, die China helfen, seinen hohen CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Für eine solide Handelsbeziehung sind stabile Währungen und gut funktionierende Finanzmärkte unabdinglich. Der Euro hilft China aber auch, sich von der Dollar-Abhängigkeit zu befreien. Eine boomende Wirtschaft hat die Volksrepublik über die vergangenen Jahre Devisenreserven von 2,6 Billionen Dollar anhäufen lassen. US-Staatsanleihen waren lange Zeit die bevorzugte Anlageform, bis die Finanzkrise dieses Investment deutlich verwässerte. Eine Diversifizierung der Devisenbestände ist somit eine logische Folge. Sie hat ihren bekanntesten Fürsprecher in Yu Yongding. Der einflussreiche Professor wird in Peking auch »Dollar-Killer« genannt, da der Dollar regelmäßig fällt, wenn Yu Yongding seine Meinung darüber vertritt.

China hat aber noch ganz andere Pläne, und die kreisen um die eigene Währung, den Yuan. Im Laufe des vergangenen Jahres wurden einige der Ausfuhrrestriktionen gelockert, so dass es nun möglich ist, internationale Geschäfte auch in chinesischer Währung abzuwickeln. Die Chinesische Volksbank tauscht daher bereits Devisen mit einigen Zentralbanken der wichtigsten Handelspartner, darunter Indonesien, Südkorea und Argentinien. Es sind vor allem die Rohstofflieferanten Chinas, die ihre eingenommenen Yuan nun bei der eigenen Zentralbank in nationale Währung umtauschen können. Der Umweg über den Dollar entfällt somit und lästige Gebühren lassen sich einsparen.

Neues geschieht derzeit auch am Finanzplatz Hongkong. Immer mehr Unternehmen geben in Renmimbi – wie der Yuan innerhalb Chinas genannt wird – notierte Anleihen aus, darunter seit Kurzem auch internationale Adressen wie McDonald's oder Caterpillar. »Dim Sum-Anleihen« heißen diese Vehikel umgangssprachlich, benannt nach den frittierten oder gedämpften Teigtaschen aus der kantonesischen Küche.

Ausländische Unternehmen wollen mit den eingenommenen Yuan ihre Rechnungen vor Ort begleichen, aber auch eigene Yuan-Reserven aufbauen mit Hinblick auf den Tag, an dem die chinesische Währung wirklich frei konvertierbar sein wird.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2011


China als Bank Europas

Marktpflege und Weg aus dem Dollar: Volksrepublik springt verschuldeten Euro-Staaten zur Seite **

Die Volksrepublik China hat Hunderte Milliarden Dollar in Staatsanleihen der USA gesteckt. Auch den hochverschuldeten Euro-Staaten will Peking bei der Bewältigung ihrer Haushaltskrise zur Seite springen. Vize-Ministerpräsident Li Keqiang sicherte Spanien am Mittwoch zu, daß China weitere Staatsanleihen kaufen werde. Das Geld dazu besitzt Peking. Die inzwischen zweitgrößte Wirtschaftsmacht verfügt über die größten Währungsreserven der Welt.

Die Zahl ist gigantisch: 2648 Milliarden Dollar (2,019 Billionen Euro) betragen die Währungsreserven der Volksrepublik. Das ist fast so viel wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt des vergangenen Jahres. 907 Milliarden Dollar davon hat China in US-Anleihen geparkt. Seit der Finanzkrise aber versucht das Land, sein Geld breiter zu streuen.

Im Dezember kündigte das chinesische Außenministerium an: »Wir sind bereit, den Ländern der Euro-Zone zu helfen, die Finanzkrise zu überwinden.« Europa werde in Zukunft einer der wichtigsten Märkte der Volksrepublik für die Investition ihrer Rücklagen sein. Auf seiner Europa-Reise, die ihn am Donnerstag auch nach Deutschland führt, untermauert Li den Willen seines Landes, sich zu engagieren. China wolle in den betroffenen EU-Staaten durch den Kauf von Anleihen »zur umfassenden Wirtschaftserholung und zum stabilen Wachstum« beitragen, schrieb er in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch.

Allerdings handelt Peking wohl nicht als Wohltäter. Es hilft sich auch selbst, wenn die Wirtschaft in seinen Exportmärkten gut läuft. Aber: »Die Motivation scheint eher geopolitisch und strategisch als finanziell zu sein«, sagt Patrick Artus, Chefvolkswirt der französischen Bank Natixis. Die globale Bedeutung Chinas würde steigen, und auch in einer Reihe wirtschaftlicher und politischer Streitfragen kann es auf eine bessere Position hoffen.

Ein Allheilmittel für die Stabilisierung des Euro ist der Kauf der Staatsanleihen nach Ansicht von Experten indes nicht. China könne die europäischen Probleme allenfalls vorübergehend »übertünchen«, sagt Mark Williams, Ökonom der Forschungseinrichtung Capital Economics.

(AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 6. Januar 2011


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