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China macht Dampf

Die Volksrepublik wird von Deutschland und den USA gern als Klimakiller bezeichnet. Fakten und die nun angegangene Renovierung der Energiewirtschaft widerlegen die Verbalattacke

Von Wolfgang Pomrehn *

Knapp 30 Jahre nach den ersten detaillierten Warnungen von Wissenschaftlern und 28 Jahre nach der ersten internationalen Klimakonferenz in Genf ist nun das Problem in aller Munde. Das globale Klima erwärmt sich. Wenn nicht einschneidende Veränderungen in der energetischen Grundlage der Weltwirtschaft vorgenommen werden, wird der Klimawandel innerhalb der nächsten zwei Generationen katastrophale Ausmaße annehmen.

Überall erkennt man die Dringlichkeit inzwischen, außer vielleicht im Weißen Haus in Washington oder in den Konzernzentralen der Energiekonzerne. Globale Meinungsumfragen zeigen, daß in den meisten Ländern die Sorge in der Bevölkerung groß ist. Dennoch hat ein seit Jahren beliebtes Spiel in der Klimaschutzdebatte keineswegs aufgehört: Besonders die Industrie, aber auch viele Politiker diesseits wie jenseits des Atlantiks zeigen gern bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Finger auf die großen Schwellenländer. Indien und China müssen mitziehen, heißt es. Solange dort nichts in Sachen Klimaschutz geschehe, sei es »unfair«, wenn der US-amerikanischen oder deutschen Industrie Auflagen gemacht werden. Gedanken dieser Art muß sich auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gemacht haben, dessen Haus schon seit gut zehn Jahren keine Untersuchungen mehr über die Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Treibhausgasbilanz vorgenommen hat.

Entstehung von Treibhausgasen

Seit Beginn der industriellen Revolution vor gut 200 Jahren basiert unsere Wirtschaft auf einer sehr bedenklichen Grundlage, nämlich zum einen auf dem Verbrauch endlicher Energieträger, deren Vorkommen sich absehbar erschöpft. Zunächst war es Kohle, dann spielte das Erdöl eine immer großere Rolle. Heute erleben wir ein Comeback der Kohle – vor allem in den USA, Indien und China. Doch auch hierzulande haben E.on, RWE, Vattenfall und Co. Baupläne für ein paar Dutzend neuer Kohlekraftwerke in den Schubladen liegen.

Der große Nachteil dieser Energiequellen ist nicht nur ihre Begrenztheit, die wir beim Öl vermutlich schon in den nächsten zehn bis 20 Jahren zu spüren bekommen werden, sondern auch die Auswirkungen auf die Umwelt. Bei ihrer Verbrennung entsteht Kohlendioxid (CO2), ein eigentlich harmloses, da vollkommen ungiftiges Gas. Aber etwa die Hälfte des Kohlendioxids, das wir heute mit unseren Kraftfahrzeugen, Dieselmaschinen, Flugzeugen und Kraftwerken produzieren, reichert sich in der Atmosphäre an. Dort wirkt es als Treibhausgas, das heißt, seine Zunahme führt zu einer allmählichen Erwärmung des globalen Klimas. Der Vorgang ist seit vielen Jahrzehnten theoretisch bekannt und läßt sich auch etwa seit Beginn der neunziger Jahre zweifelsfrei beobachten.

Zum Kohlendioxid kommen andere Treib­hausgase hinzu. Nach den neuesten Zahlen des UN-Wissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Zwischenstaatlicher Ausschuß über Klimaveränderungen) beträgt der Anteil des Kohlendioxid am menschgemachten Treibhauseffekt rund 61 Prozent. Methan (CH4), der zweitwichtigste Kandidat der Treibhausgase, trägt etwa 20 Prozent zur Aufheizung der Atmosphäre bei. Der Rest verteilt sich auf einige andere Gase wie etwa das Ozon (O3), das in den unteren Schichten der Atmosphäre ein Folgeprodukt von Verbrennungsprozessen in Motoren und Industrieanlagen ist. Im Gegensatz zu Kohlendioxid und Methan ist es zwar sehr kurzlebig, wird aber ständig neu gebildet.

Methan ist ein wesentlich effektiveres Treibhausgas als Kohlendioxid, doch zum Glück ist seine Konzentration in der Atmosphäre erheblich geringer. Es entsteht überall dort, wo Verwesung ohne Sauerstoff stattfindet: in Sümpfen, in Mülldeponien, in bewässerten Reisfeldern, in Rindermägen, in neuen Stauseen, aus denen vor der Flutung die Bäume und Sträucher nicht entfernt wurden. Das gefährliche Grubengas in Kohleflözen besteht ebenfalls überwiegend aus Methan und entweicht oft während des Abbaus ungehindert in die Atmosphäre. Auch Erdgas besteht aus Methan. Leckagen bei Transport und Gewinnung tragen also ebenfalls zur Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre bei.

Für gewöhnlich werden in der internationalen Debatte und in den Verhandlungen über globalen Klimaschutz die Treibhausgase zusammengefaßt. Methan und die kleineren Übeltäter werden in Kohlendioxidäquivalente umgerechnet. In Deutschland betrugen die Emissionen der Klimagase 2003 zum Beispiel rechnerisch 1 024 Milliarden Tonnen. Davon entfielen 865 Millionen Tonnen auf das Kohlendioxid, der Rest bestand aus den anderen Treibhausgasen, deren kombinierte Wirkung der von 159 Millionen Tonnen Kohlendioxid entsprach.

Sündenbock China

Gemessen daran sehen die chinesischen Emissionen beachtlich, wenn nicht gar gewaltig aus: Rund 4,33 Milliarden Tonnen Kohlendioxid wurden 2003 in der Volksrepublik bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und durch industrielle Prozesse in die Luft geblasen. Das ist in etwa das Vierfache des deutschen Wertes. Und die Emissionen nehmen weiter zu. Über die neunziger Jahre hatte die Volksrepublik es geschafft, die CO2-Emissionen auf mehr oder weniger konstantem Niveau zu halten. Doch offenbar sind seit Beginn des Jahrtausends die am einfachsten zu mobilisierenden Einsparpotentiale beim Energieverbrauch ausgeschöpft, so daß der Verbrauch an fossilen Brennstoffen wieder rasch wächst.

Andere Zahlen legen jedoch nahe, daß der Anstieg des Energieverbrauchs der chinesischen Wirtschaft und damit der CO2-Emissionen nur kurz gegen Ende der neunziger Jahre eine Pause gemacht hat. Das ist zumindest einem kürzlich veröffentlichten Bericht des Forschungszentrums für nachhaltige Entwicklung der chinesischen Akademie der Wissenschaften zu entnehmen. Die Autoren Pan Xiahua und Zhu Xianli beklagen darin die geringen Qualitäten des statistischen Materials. Wie in allen Entwicklungsländern seien die Statistiken unvollständig und meist nicht leicht zugänglich. Das betreffe auch die Angaben über Investitionen, die nicht unwichtig sind, um den Beitrag von Industrie und Energiewirtschaft zu den Emissionen abzuschätzen. Auf der anderen Seite werde aber auch der Beitrag der erneuerbaren Energiequellen wie Wasserkraft und Feuerholz in den offiziellen Statistiken unterschätzt.

Diese Unsicherheit in den Zahlen macht auch das Verwirrspiel leichter, das von interessierter Seite über Chinas Beitrag zum Treibhausproblem betrieben wird. In US-amerikanischen Zeitungen ist des öfteren zu lesen, China werde schon innerhalb der nächsten Jahre die USA als weltgrößten Produzenten der Klimagase überholen. In den USA wurden 2003 etwa sechs Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, also noch deutlich mehr als in der Volksrepublik. Auch in den USA nehmen die Emissionen übrigens – trotz aller Verhandlungen über internationalen Klimaschutz– weiter zu, wenn auch nicht so stark wie in der Volksrepublik.

Die Vergleiche, mit denen nicht nur jenseits des Atlantiks, sondern auch hierzulande China immer wieder gern zum Klimasündenbock gemacht wird, hinken jedoch reichlich, wie eigentlich jeder auf den ersten Blick sehen könnte. In China leben etwas über 1,3 Milliarden Menschen, in den USA nur knapp 300 Millionen und in Deutschland rund 82 Millionen. Wenn man also davon ausgeht, daß alle Menschen das gleiche Recht haben – was ja wohl als Grundlage der menschlichen Zivilisation gelten sollte –, dann müßte der Volksrepublik das 4,4-fache der US-amerikanischen oder das 15,8-fache der deutschen Emissionen zugestanden werden.

Selbstverständlich wäre es für das globale Klima eine endgültige Katastrophe, wenn die Treibhausgasemissionen im Land der Mitte tatsächlich in diese Höhen steigen würden. Chinesischen Wissenschaftlern und Politikern ist das durchaus bewußt. Aber wer ernsthaft erreichen will, daß China seine Treibhausgasemissionen beschränkt und in den nächsten Jahrzehnten vielleicht auch ein wenig reduziert, der muß es erstens schnell, umfassend und zu Vorzugsbedingungen mit der entsprechenden Technik versorgen, und der muß zweitens zu Hause anfangen. Erst wenn sich in den Industrieländern die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen von derzeit zehn (Deutschland) oder 20 (USA) Tonnen Kohlendioxid rasch in Richtung zwei Tonnen des Gases pro Einwohner und Jahr oder möglichst noch darunter bewegen, kann von den großen Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien erwartet werden, daß sie Verpflichtungen in bezug auf ihren Treibhausgasausstoß eingehen.

Kyoto-Protokoll ratifiziert

Dem deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) scheinen diese Zusammenhänge immerhin bewußt zu sein. Nach dem Treffen der G-8-Umweltminister mit ihren Kollegen aus den wichtigsten Schwellenländern Mitte März in Potsdam meinte er: »Wir können die Blockaden bei den internationalen Verhandlungen aufbrechen, wenn wir nicht mehr übereinander, sondern miteinander reden. Gegenseitige Schuldzuweisungen wurden in Potsdam außen vor gelassen.«

Doch für manchen Populisten sind einfache Rechenübungen und der Blick in die Vertragstexte des internationalen Klimschutzes offenbar zuviel verlangt. Zu den Mythen, die von ihnen gepflegt werden, gehört, daß China das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert habe, jenen internationalen Klimaschutzvertrag, der 2012 ausläuft und mit dem sich die Industriestaaten zu einer leichten Minderung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet haben.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat dieses Märchen zum Beispiel mehrfach in offenen Briefen an die Bundesregierung verbreitet, mit denen er sich für die Interessen der deutschen Energiekonzerne einsetzte. Zuletzt war ähnliche China-Schelte aus den Reihen der SPD zu hören. Nach dem mit viel theatralischem Pomp zelebrierten EU-Gipfel Anfang März, auf dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eigenhändig zur Klimavorkämpferin gekrönt hatte, verkündete der stellvertretende Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Kurt Bodewig (SPD): »Jetzt kann man auch an Länder wie die USA oder China deutlicher herantreten und sagen, daß das Kyoto-Protokoll ratifiziert werden muß.«

Mit den Tatsachen hat das alles herzlich wenig zu tun. 170 Staaten haben inzwischen das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Zu den ganz wenigen größeren Staaten, die sich weiter verweigern, gehören die beiden EU-Beitrittskandidaten Türkei und Kroatien sowie Australien, Kasachstan und die USA. China hat hingegen am 30. August 2002 ratifiziert. Nur drei Monate nach dem die EU und ihre damals 15 Mitgliedstaaten bei den Vereinten Nationen in New York die entsprechenden Urkunden hinterlegten. Diese hatten sich mit diesem Schritt immerhin viereinhalb Jahre Zeit gelassen, nicht unbedingt ein Zeichen einer Vorreiterrolle. Viele Entwicklungsländer, wie etwa Argentinien, Paraguay, Uganda, Usbekistan oder Guinea, hatten schon ein oder zwei Jahre früher ratifiziert. Andere waren noch schneller: Die meisten kleinen Inselstaaten wie Tuvalu, Antigua und Barbuda oder die Malediven gehörten zu den ersten, die den Vertrag nicht nur unterschrieben, sondern auch anerkannten. Die großen Schwellenländer hatten hingegen mit den Abstimmungen in ihren Parlamenten auf die EU gewartet. Sowohl Indien als auch Brasilien und Südafrika haben wie China im Sommer 2002 kurz nach den Europäern ratifiziert.

Allerdings schreibt das Kyoto-Protokoll nur den Industriestaaten vor, ihre Treibhausgasemissionen zu vermindern, und zwar aus einigen sehr einfachen Gründen: Ihre Pro-Kopf-Emissionen sind wesentlich höher als jene der Entwicklungsländer, wenn man einmal von den Ölförderländern absieht, die auch zu dieser Kategroie gezählt werden. Außerdem sind sie für den größten Teil des bisherigen Anstiegs der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verantwortlich. Und schließlich haben sie aufgrund ihres hohen Wissensstandes und der entwickelten Forschungsinfrastruktur auch am ehesten die Möglichkeiten, technische Innovationen zu entwickeln, die einen Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft erlauben.

Drastische Maßnahmen

Was letzteres angeht, ist China allerdings dabei, mit Siebenmeilenstiefeln aufzuholen. Inzwischen verlassen im Land der Mitte jährlich mehr Ingenieure und Naturwissenschaftler die Hochschulen als in jedem anderen Land. Hinzu kommen noch die chinesischen Studenten, die sich in den USA ausbilden lassen. Dort sind nämlich über die Hälfte der Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer Ausländer, und die größte Gruppen unter diesen machen die Inder und Chinesen aus. In China setzt man einiges daran, dieses neue Potential unter anderem auch in der Entwicklung energiesparender Techniken und erneuerbarer Energiequellen einzusetzen.

Denn ohne Zweifel hat China enorme Umweltprobleme, wie zuletzt auf der gerade zu Ende gegangen Tagung des Volkskongresses herausgestrichen wurde. In einer der Studien der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1998 werden unter den zehn Städten mit der weltweit schlimmsten Luftverschmutzung sieben chinesische Metropolen aufgeführt. Rußpartikel, Feinstaub und Schwefeldioxid machen das Atmen in Chinas Millionenstädten zu einer gefährlichen Sache. Nach Angaben der oben erwähnten Studie von Pan und Zhu sterben in China einige hunderttausend Menschen jährlich an den Folgen von Luft- und Wasserverschmutzung. Schwefeldioxid verursacht, wie man auch in den Industriestaaten aus Erfahrung weiß, sauren Regen, der in den Wäldern und bei Feldfrüchten schwere ökonomische Schäden anrichtet. Laut Pan und Zhu sind 40 Prozent des chinesischen Gebietes betroffen. Auch einige Nachbarländer, vor allem die beiden Koreas und Japan, werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Folgekosten von Luft- und Wasserverschmutzung schätzen die beiden Autoren auf jährlich mehrere Dutzend Milliarden Euro.

In den neunziger Jahren wurde versucht, dem Problem auf der lokalen Ebene Herr zu werden. Die großen Metropolen verbannten die schlimmsten Verschmutzer an den Stadtrand oder ganz aufs Land. Die Luftqualität in den Städten konnte dadurch tatsächlich verbessert werden, am landesweiten Problem hat diese Politik allerdings nichts geändert. Die Schwefeldioxid- und Feinstaubemissionen nahmen weiter zu, und mit ihnen natürlich auch die der Treibhausgase, denn die Quelle ist die gleiche.

Daher hat man sich 2000 darauf verlegt, eine Strafgebühr auf den Verursacher des sauren Regens zu erheben. Doch offensichtlich läßt sich die mit umgerechnet etwas mehr als zwei Eurocent pro Kilogramm Schwefeldioxid gut verkraften. Seit neuestem gibt es daher endlich Verordnungen, die den Einbau von Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerke vorschreiben. Mit diesen konnten auch in Westeuropa seit Beginn der achtziger Jahre die Kraftwerksabgase deutlich sauberer gemacht werden.

Die Sache hat allerdings einen kleinen Haken: Staubpartikel und Schwefeldioxid haben einen kühlenden Einfluß auf das Klima, der schon wenige Wochen nach dem Einbau von Filtern wegfällt. Anders als Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase bleiben sie nämlich nicht lange in der Atmosphäre. Der Staub fördert die Bildung von Wolken, die das Sonnenlicht reflektieren, und die Schwefeldioxidpartikel wirken direkt als winzige Spiegelchen, die die wärmende Strahlung unseres Zentralgestirns zurück ins Weltall werfen. Nach Angaben des jüngsten UN-Klimaberichts hebt der Kühlungseffekt der schmutzigen Abgase vermutlich knapp die Hälfte der Wirkung der derzeitigen Treibhausgaskonzentration auf.

Aber natürlich müssen die Abgase der chinesischen Kraftwerke unbedingt sauberer werden. Umso wichtiger ist es also, daß die Volksrepublik ihren Energieverbrauch und damit die Treib­hausgasemissionen in den Griff bekommt. China verbraucht derzeit 15 Prozent des Weltenergiebedarfs, trägt aber nur 5,5 Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung bei, meinte am 18. März in Peking Ma Kai, seines Zeichens Vorsitzender der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, der einstigen zentralen Planungsbehörde der chinesischen Regierung. Daher sei es unerläßlich, daß das Land einen nachhaltigeren Weg der Wirtschaftsentwicklung einschlage, der mit deutlich weniger Energieverbrauch auskomme.

Diesbezüglich hat sich die Führung in Peking mit dem Fünfjahrplan 2006 bis 2010 schon einiges vorgenommen. Um 20 Prozent soll der spezifische Energieverbrauch, also der Verbrauch pro Einheit Wirtschaftsleistung, gesenkt werden. Der Energiekonsum würde wegen des hohen Wirtschaftswachstums zwar trotzdem weiter zunehmen, aber weniger stark als bisher. Jüngste Zahlen zeigen allerdings, daß 2006 der spezifische Energieverbrauch eher noch leicht gestiegen ist.

Also hat man sich jetzt zu drastischeren Maßnahmen entschieden: Bis 2010 werden zahlreiche ältere kleine Kohlekraftwerke stillgelegt. Zusammen sollen sie eine Kapazität von 50 Gigawatt haben, was etwa 100 Großkraftwerken entspräche. Außerdem ist geplant, veraltete Stahlwerke und Eisengießereien zu schließen, die einen besonders hohen Energieverbrauch haben. Schließlich sind verschiedene Maßnahmen zur Besteuerung und Preisgestaltung geplant, die Anreize und Zwänge für einen sparsamen Einsatz von Energie schaffen sollen.

Umwelt- und Klimaschutz erweist sich somit auch als ein Modernisierungsprogramm für die chinesische Industrie und macht daher volkswirtschaftlich doppelt Sinn. Im Einzelfall gerät er jedoch oft mit den Interessen lokaler Behörden und dem Gewinnstreben der Kraftwerksbetreiber in Konflikt, die sich in den letzten Jahrzehnten oft der Kontrolle der Zentrale haben entziehen können. Es bleibt also abzuwarten, ob die Pekinger Regierung ihre Pläne auch durchsetzen kann.

Leichter könnte da schon der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen fallen, der ebenfalls auf Pekings Arbeitsliste steht. Anfang Januar 2007 verkündete das chinesische Industrieministerium, daß bis 2010 45,6 Milliarden Yuan (etwa 4,5 Milliarden Euro) in den Ausbau der Windenergie gesteckt werden sollen. Besonders in der inneren Mongolei, wo besonders gute Bedingungen herrschen, entstehen derzeit eine Reihe großer Windparks. Im Februar erst hat Vestas, der dänische Weltmarktführer unter den Windanlagenherstellern, einen großen Auftrag an Land gezogen.

Die Entwicklung steht allerdings erst ganz am Anfang: 2006 wurden in China Windenergieleistungen von rund 1000 Megawatt installiert. Das entspricht etwa einem großen Kohlekraftwerk. Doch die Chancen stehen gut, daß der Ausbau sich schnell beschleunigen wird. In den nächsten 15 Jahre will die Regierung jährlich etwa zehn Milliarden Euro für erneuerbare Energie ausgeben, wozu auch Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gehören werden. Damit soll bis 2020 ein Anteil der Erneuerbaren von zehn Prozent an der Energieversorgung erreicht werden. Angesichts des schnell wachsende Energiebedarfs ist das eine große Aufgabe, in Anbetracht der enormen Umweltprobleme, denen China gegenübersteht, noch immer zu wenig. Daher ist zu hoffen, daß die bereits beschlossenen marktwirtschaftlichen Anreize für die Windenergie und andere nachhaltige Formen der Stromproduktion schnell greifen und das Plansoll übererfüllt wird.

* Aus: junge Welt, 27. März 2007


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