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China setzt auf Energieeffizienz

Verbrauchsanstieg soll laut Fünfjahresplan gedeckelt werden – unabhängig vom BIP-Wachstum

Von Christian Mihatsch *

Der neue Fünfjahresplan gibt der chinesischen Wirtschaft ein festes Energiebudget vor. Wächst die Wirtschaft schneller als geplant, muss die Energieeffizienz entsprechend gesteigert werden.

Wichtigster Tagesordnungspunkt des seit dem Wochenende in Peking tagenden Nationalen Volkskongresses ist die Verabschiedung eines neuen Fünfjahresplans. Wie erwartet setzt der wirtschaftliche Masterplan auf eine Stärkung der Binnennachfrage, also mehr Konsum. Damit soll die Abhängigkeit von Exporten und Investitionen reduziert werden. Außerdem reduziert China die Zielwachstumsrate von 7,5 Prozent auf 7,0 Prozent, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Damit soll auch die Inflation unter Kontrolle gebracht werden.

Während die makroökonomische Stoßrichtung des Plans bereits vorher bekannt war, hält das Kapitel über die Energiepolitik eine Überraschung parat: China soll seinen Energieverbrauch auf den Gegenwert von vier Milliarden Tonnen Kohle im Jahr 2015 beschränken. Derzeit verbraucht das Land den Gegenwert von 3,2 Milliarden Tonne Kohle. Während der Laufzeit des Fünfjahresplans kann der Energieverbrauch so um – höchstens – 4,24 Prozent jährlich steigen. Wächst die Wirtschaft wie geplant um sieben Prozent, muss die Energieeffizienz folglich jedes Jahr verbessert werden, sodass pro Tonne Kohle mehr Yuan an Wirtschaftsleistung produziert werden. Insgesamt soll die Energieeffizienz innerhalb von fünf Jahren um 16 Prozent erhöht werden.

Doch was passiert, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als sieben Prozent wächst? Durch die Beschränkung müsste das zusätzliche Wachstum in diesem Fall komplett durch Energieeinsparungen andernorts kompensiert werden. Und genau darin liegt die Überraschung: Bislang hatte sich China immer geweigert, eine fixe Obergrenze für seinen Energieverbrauch oder den CO2-Ausstoß zu akzeptieren. Wachstum hatte Priorität. Mit der Begrenzung des Energieverbrauchs wird dies nun modifiziert. Die neue Maxime heißt: Wachstum Ja – aber nur wenn der Energieverbrauch den Gegenwert von vier Milliarden Tonnen Kohle nicht übersteigt.

Der Grund für diese Beschränkung ist weniger die Sorge um das Weltklima als die Sorge um die Energiesicherheit. China muss einen immer größeren Anteil seines Öl-, Gas- und Kohlebedarfs importieren. Das Reich der Mitte wird damit abhängiger von der Stabilität der Förderländer. Doch viele von diesen werden derzeit von Revolutionen erschüttert. Hinzu kommt, dass wegen der politischen Unsicherheit der Ölpreis steigt und auch in China die Inflation befeuert. Und höhere Rohstoffpreise schlagen besonders stark auf die chinesische Wirtschaft durch: Während die USA nur rund drei Prozent ihres BIPs für importierte Rohstoffe ausgeben, überweist Peking acht Prozent der Wirtschaftsleistung an Ölscheichs und Minenbetreiber. Um diesen Mittelabfluss unter Kontrolle zu halten, sollen erneuerbare Energien in China weiter massiv ausgebaut werden. Bereits heute baut kein Land mehr Windräder und Sonnenkollektoren als die Volksrepublik. Der Ausbau dient zugleich der Erreichung eines industriepolitischen Ziels: Die Branche der Erneuerbaren zählt zu sieben »strategischen« Industrien, die besonders gefördert werden sollen.

Mit diesen Maßnahmen erfüllt China die Erwartungen der Internationalen Energieagentur (IEA). Um den Klimawandel auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, reichen die vorgesehen Neuerungen aber nicht aus, meint IEA-Chefökonom Fatih Birol. Unklar ist zudem, ob sich die chinesische Wirtschaft an die Planvorgaben ihrer Regierung hält.

Dass die Führung in Peking allerdings auch bereit ist, wenn nötig zu radikalen Mitteln zu greifen, um ihre Planvorgaben durchzusetzen, hat sie im vergangenen Jahr gezeigt: Um den Energieverbrauch zu senken, wurden 2000 Industriebetriebe geschlossen und sogar in Krankenhäusern der Strom abgestellt. Trotzdem musste Premierminister Wen Jiabao dem Volkskongress eine Plannichterreichung melden: Statt um 20 Prozent ist der Energieverbrauch pro Yuan Wirtschaftsleistung seit 2006 nur um 19,1 Prozent gesunken

* Aus: Neues Deutschland, 9. März 2011


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