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Willkommener Konflikt

Streit zwischen Japan und China um Inselkette: Militaristen im Aufwind

Von Michael Streitberg *

Der seit langem anhaltende Streit um eine Inselkette im Ostchinesischen Meer hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Sowohl Japan als auch China beanspruchen das Gebiet, in dem riesige Erdöl- und Gasvorkommen vermutet werden, für sich. Die Volksrepublik hat am vergangenen Samstag eine Flugüberwachungszone über den in China als Diaoyu, in Japan als Senkaku bekannten Inseln eingerichtet. Tokio und Washington erkennen diese jedoch nicht an und reagierten mit Provokationen. So überflogen am Dienstag zwei B52-Bomber der US-Luftwaffe demonstrativ das Gebiet. Die japanische Regierung wies die Fluggesellschaften des Landes an, Weisungen Chinas zu ignorieren.

Die damals unbewohnten Inseln wurden 1872 von Japan im Zuge der Einverleibung von Okinawa in Besitz genommen. Tokio beruft sich auf das Rechtsprinzip des »terra nullius«, des Landes, das niemandem gehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel die Kontrolle über Okinawa und die Inselgruppe an die USA, bis diese beides 1972 an Japan zurückgaben. Seit Ende der 60er Jahre erhebt aber auch China Anspruch auf die Gebiete und beruft sich dabei auf die Zeiten der Ming-und Qing-Dynastie. Letztere endete 1911 mit der Ausrufung der Republik China. Erst 1992 erklärte Peking die Inseln zum unveräußerlichen Territorium Chinas.

Nachdem der Gebietsstreit im Zuge der Normalisierung des japanisch-chinesischen Verhältnisses lange ausgeklammert wurde, eskalierte die Situation im September 2010, als die japanische Küstenwache ein chinesisches Fischerboot festsetzte. Die Beziehungen der beiden Länder zueinander verschlechterten sich rapide. Japan bat Washington um Unterstützung, weil die Inselgruppe »von unverzichtbarer Bedeutung für die militärische Machtdemonstration« der Vereinigten Staaten sei. Tatsächlich äußerten sich Repräsentanten Washingtons mehrfach ambivalent und vermieden eine klare Parteinahme. Gleichzeitig wurde Japan zugesichert, daß sich das bilaterale Sicherheitsabkommen von 1960, welches dem Land militärischen Beistand im Falle eines bewaffneten Konflikts zusichert und seine Rolle als antikommunistisches Bollwerk gegen China und Nordkorea zementiert, auch auf die Inselkette erstrecke.

Der heutigen rechtskonservativen Regierung in Tokio dient der Konflikt dazu, ihre Pläne zur verstärkten Militarisierung und zu einer Revision der in der Verfassung festgelegten, aber schon lange ausgehöhlten Friedenspflicht weiter voranzutreiben. Zuletzt hatte die Präsentation des umgerechnet 736 Millionen Euro teuren Helikopterträgers »Izumo« im August chinesischen Protest hervorgerufen. Es handelt sich der Washington Post zufolge um das größte japanische Kriegsschiff seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Japanische Kommunistische Partei (JKP) verweigert sich unterdessen der antichinesischen und militaristischen Stimmungsmache, obwohl auch sie die Diaoyu/Senkaku als japanisches Territorium betrachtet. In einem 1971 gefaßten und 2010 bekräftigten Grundsatzbeschluß führt die JKP aus, daß die Aneignung des unbewohnten Gebiets rechtmäßig und in Einklang mit internationalem Recht geschehen sei. JKP-Generalsekretär Tadayoshi Ichida bezeichnete am Dienstag zudem die chinesische Flugüberwachungszone als inakzeptabel. Solche Schritte, die die Spannungen zwischen China und Japan verschärfen, seien kontraproduktiv für eine friedliche Lösung des Konflikts, betonte er.

* Aus: junge Welt, Freitag, 29. November 2013


Kraftproben über dem Ostchinesischen Meer

Seoul und Tokio ignorieren die von Peking deklarierte Luftraumüberwachungszone / Südkorea fordert korrigierende Maßnahmen **

Japan und Südkorea stellen Chinas neue Luftraumüberwachungszone auf die Probe. Militärflugzeuge fliegen in den strittigen Luftraum, ohne Peking zu informieren.

Der Streit um Chinas neue Zone der Luftraumüberwachung im Ostchinesischen Meer heizt die Spannungen in Ostasien an. In offener Missachtung der Zone schickten Japan und Südkorea Militärflugzeuge in das Gebiet, ohne Peking vorher zu informieren. Ähnlich wie nach dem Überflug US-amerikanischer B52-Bomber am Dienstag reagierte Peking zurückhaltend. China identifiziere Flugzeuge in der Zone und habe die Situation »unter Kontrolle«, sagte der Sprecher des Pekinger Außenministeriums. Zwischenfälle wurden nicht bekannt.

Bei dem Flug der japanischen Luftwaffe habe es keine »besonderen« Reaktionen gegeben, berichtete ein Regierungssprecher in Tokio. Es habe sich um einen normalen Patrouilleneinsatz gehandelt. Auch Südkoreas Militär berichtete, eines seiner Flugzeuge habe einen regulären Aufklärungsflug nahe einem Riff absolviert, um das Seoul mit Peking streitet. Südkoreas Militärflugzeuge würden auch künftig in dem Gebiet fliegen, ohne die chinesische Seite zu informieren.

In dem international »Air Defense Identification Zone« (ADIZ) genannten Luftraum verlangt China seit Sonnabend von ausländischen Flugzeugen, dass sie sich identifizieren und gegebenenfalls den Anweisungen seiner Luftwaffe folgen. Sonst drohen ihnen nicht näher beschriebene Gegenmaßnahmen. Außenministeriumssprecher Qin Gang sagte am Mittwoch, China werde entsprechend dem Grad der Bedrohung reagieren, der von dem jeweiligen Flugzeug ausgehe. Die Forderung Japans und der USA, die Zone aufzuheben, wurde zurückgewiesen. Chinesische Medien merkten an, dass mehr als 20 Staaten, darunter die USA und Japan selbst, solche Luftraumüberwachungszonen erklärt haben.

Südkoreas Wunsch, die Grenzen der Zone zu verschieben, lehnte Peking ebenfalls ab. Im Rahmen des strategischen Dialogs mit China habe Vizeverteidigungsminister Baek Seung Joon deutlich gemacht, dass Südkorea die neue Zone nicht anerkenne und »korrigierende Maßnahmen« fordere, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul. »Chinas Antwort war, dass es die Forderung nicht akzeptiert.«

Die USA-Regierung rief derweil US-Fluggesellschaften auf, alle als notwendig betrachteten Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, bis die Regeln für kommerzielle Flüge geklärt seien. Japanische Airlines fliegen problemlos durch die Zone, nachdem sie am Mittwoch aufgehört hatten, die Flugpläne an China zu übermitteln.

Vor dem Hintergrund der Spannungen steuerte der chinesische Flugzeugträger »Liaoning« am Donnerstag zwischen China und Taiwan hindurch und nahm Kurs ins Südchinesische Meer. Wie mit Japan im Ostchinesischen Meer streitet China auch dort mit Nachbarn um Inselgruppen. Die chinesische Marine sprach von einem normalen Einsatz des Flugzeugträgers zu Ausbildungszwecken. Seine erste Übungsfahrt in das Seegebiet fällt zusammen mit dem Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden nächste Woche in China, Japan und Südkorea. Er will in Peking unter anderem die Besorgnisse der USA über die Luftverteidigungszone vorbringen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 29. November 2013


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