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Punktsieg für Peking

Japan hat Kapitän eines chinesischen Fischkutters entlassen. Von Entspannung der Beziehungen zu China kann aber noch keine Rede sein

Von Josef Oberländer *

Der Druck der Vereinigten Staaten muß enorm gewesen sein, sonst hätte Japan den chinesischen Kapitän Zhan Qixiong am Samstag (25. Sept.) nicht in eine Chartermachine gesetzt und in die Küstenstadt Fuzhou im Südosten Chinas ausreisen lassen. Sogar US-Präsident Barack Obama hatte am Rande des UN-Gipfels in New York noch einmal auf den japanischen Ministerpräsidenten Naoto Kan eingewirkt.

Eigentlich sollte gegen den 41jährigen Kapitän eines Fischkutters vor einem Gericht in Okinawa Anklage erhoben werden. Die japanische Küstenwache hatte das Fischerboot in einem von beiden Staaten beanspruchten Seegebiet aufgebracht und Zhan vorgeworfen, zwei ihrer Schiffe vorsätzlich gerammt zu haben. Wütende Proteste aus Peking waren die Folge. In dem Territorialstreit um fünf unbewohnte Inseln und drei Felsen, die auf chinesisch Diaoyu und auf japanisch Senkaku genannt werden, geht es um reiche Fischgründe und dort vermutete Öl- und Gasvorkommen.

»Wenn man die Auswirkungen auf die Menschen in unserem Land und die Zukunft der japanisch-chinesischen Beziehungen in Betracht zieht, wäre es unangemessen, den Kapitän während der Ermittlungen in Gewahrsam zu behalten«, begründete Toru Suzuki von der Staatsanwaltschaft in Naha die Freilassung Zhans. Die Ermittlungen würden fortgesetzt. Das Verhältnis zu den USA ließ Toru unerwähnt. Denn nur zähneknirschend hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates dieser Tage eingeräumt, daß auch das umstrittene Seegebiet vom gemeinsamen Sicherheitsvertrag zwischen den USA und Japan abgedeckt wird. Nach dem militärischen Fiasko im Irak und der sich abzeichnenden Katastrophe in Afghanistan hat das US-Militär absolut kein Interesse an einer neuen Aufgabe.

Die Eskalation ist mit der Freilassung Zhans nicht beendet, auch wenn man das in Washington so sehen mag. So lösten reife Staaten ihre Probleme durch Diplomatie, frohlockte etwa der Sprecher des US-Außenministeriums Philip J. Crowley. China verlangt nun aber eine Entschuldigung Japans für den Zwischenfall und Entschädigung für die Inhaftierung des Kapitäns, doch Japans Präsident Naoto Kan ist zu einem weiteren Kniefall nicht bereit. »Die Senkaku-Inseln sind ein integraler Bestandteil des japanischen Staatgebiets«, sagte Kan. Weder eine Entschuldigung noch eine Entschädigung Japans komme in Frage.

Zuvor hatte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao mit weiteren Schritten der Eskalation gedroht. Am 20. September hatte China vier Beschäftigte einer japanischen Baufirma in der Provinz Hebei festgenommen und sich so ein Faustpfand im Konflikt gesichert. Ihnen wird Spionage vorgeworfen. Die vier hätten ohne Erlaubnis ein militärisches Sperrgebiet betreten und illegal Militäreinrichtungen gefilmt, hieß es. Tatsächlich arbeiteten sie an einem Projekt zur Entsorgung der im Zweiten Weltkrieg von Japan in der Region zurückgelassenen chemischen Waffen.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Peking und Tokio sind faktisch unterbrochen. Das Reich der Mitte hat alle Gespräche auf Ministerebene abgesagt. Auf Druck von Regierungsstellen wurde der Export seltener Metalle, die für Nippons Technologiekonzerne unverzichtbar sind, eingestellt. Offiziell gibt es zwar kein Embargo, der japanische Handelsminister Akihiro Ohata sagte jedoch, ihm lägen Informationen vor, nach denen die Belieferung mehrerer Handelshäuser durch China eingestellt worden sei. Peking übt zudem Druck auf die Tourismusbranche aus, Reisen nach Japan zu stornieren. Und dann starb auch noch der Pandabär Kou Kou, den China an den Zoo im westjapanischen Kobe augeliehen hatte - ein Sinnbild der bilateralen Beziehungen.

* Aus: junge Welt, 27. September 2010


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