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Öl-Diplomatie auf höchster Ebene

Eine der wichtigsten Aufgaben chinesischer Außenpolitik ist die Sicherung der Energiezufuhr

Von Anna Guhl, Peking*

Nach den USA besucht der chinesische Staatspräsident Hu Jintao Saudi-Arabien und drei afrikanische Staaten. Was auf den ersten Blick weniger spektakulär erscheint, ist doch mit viel Bedacht gewählt.

Fast 80 Prozent der chinesischen Ölimporte kommen mittlerweile aus dieser Region. Mit einem Anteil von gut 17 Prozent und einem knapp 30-prozentigen Zuwachs im letzten Jahr ist Saudi-Arabien inzwischen Spitzenreiter unter Chinas Öllieferanten. Kein Zufall also, wenn sich Hu Jintao auch vor dem Hintergrund des Iran-Konflikts persönlich um gute Beziehungen zum weltweit größten Erdölexporteur kümmert. Zumal dieser sein Öl bisher vor allem in die USA lieferte.

Ähnlich ist die Situation im größten afrikanischen Erdölförderland Nigeria, Hus dritter Station: Hier erwarb der staatliche Ölkonzern Sinopec bereits vor zwei Jahren Offshore-Rechte an den großen Ölfeldern vor der Westküste. Diese sollen auch weiterhin für einen stabilen Ölbezug sorgen. Zwar beträgt der Ölkonsum Chinas mit täglich rund 7 Millionen Barrel immer noch lediglich ein Drittel dessen, was die USA schlucken, doch China hat deutlich »aufgeholt«. Um 17 Prozent auf über 300 Millionen Tonnen soll der Rohöl-Verbrauch im letzten Jahr gestiegen sein, während die inländische Produktion bei rund 180 Millionen Tonnen mehr oder weniger stagniert. Trotz aller Beteuerungen der chinesischen Führung, sich vor allem auf eigene Energieressourcen zu stützen, muss in wenigen Jahren mehr als die Hälfte des benötigten Öls durch Importe beschafft werden, schätzen auch chinesische Experten ein. Diese Zufuhren langfristig zu gewährleisten, ist zu einer der wichtigsten Aufgaben der chinesischen Außenpolitik geworden.

Um stabile Importlinien zu schaffen, setzt China eindeutig auf die »alten Allianzen« zum afrikanischen Kontinent und zunehmend auf die Golfregion. Sehr zum Ärger ihres größten Konkurrenten in Sachen Öl, den USA, »mischt« sich Chinas Führung eben nicht in die Politik ihrer Lieferanten ein und kommt damit gerade bei Staaten wie Saudi-Arabien, Angola, Sudan und Iran, aus denen China inzwischen das meiste Öl bezieht, sehr gut an. In Peking weiß man, dass bis 2010 etwa 20 Prozent des Rohöls in Afrika gefördert werden, und man beeilt sich, den eigenen Anteil daran dauerhaft zu sichern. Der Zuwachs der Öllieferungen aus Afrika ist in den letzten Jahren zweistellig. Die afrikanischen Staaten erhalten im Gegenzug zinsgünstige Kredite, mit denen sie ihre Infrastruktur aufbessern oder, wie Nigeria, Auslandsschulden begleichen. In Sudan haben Chinas Ölgesellschaften seit 1995 Beteiligungsrechte an den großen Erdölfeldern gekauft und kontrollieren mittlerweile 40 Prozent des Ölgeschäfts im Land.

Zudem bemüht sich Peking um preisgünstige, sichere Transportwege. 90 Prozent der Ölimporte erreichen China auf dem Seeweg. Doch 80 Prozent davon müssen durch die Meerenge von Malakka. Ein terroristischer Akt kann China augenblicklich größte Schwierigkeiten bereiten; die Reserven reichen derzeit nur knapp einen Monat. Deshalb gewinnen Pipelines und Eisenbahntransporte an Bedeutung – und Staaten wie Iran, Myanmar und Pakistan. Auch weil der Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin im März nicht den erhofften schnellen Durchbruch zur seit Jahren versprochenen Anbindung Chinas an die ostsibirischen Reserven brachte.

In diesem Jahr will China mit der Errichtung von Resevetanks beginnen. 22 Millionen Tonnen Öl lieferte das saudische Königreich im letzten Jahr nach China – nun schlug Hu den Saudis vor, die langfristige Belieferung eines der Tanks zu übernehmen. Überdies sind Saudi-Arabien und Pakistan dabei, eine Pipeline quer durch Pakistan nach China zu planen. Aus Iran bezieht China 11 Prozent seines Öls, und auch mit Teheran verhandeln hohe chinesische Regierungsbeamte über einen Trassenbau.

Schließlich Lateinamerika: Zahlreiche Reisen chinesischer Spitzenpolitiker in den letzten beiden Jahren waren nicht zuletzt der Erschließung von Energielieferungen gewidmet. So ermöglichte der Staatsbesuch Hu Jintaos chinesischen Ölgesellschaften den Zugang zu den Feldern Venezuelas und Brasiliens. Um 14 Prozent stiegen Chinas Ölimporte aus der westlichen Hemisphäre im letzten Jahr insgesamt.

* Aus: Neues Deutschland, 25. April 2006


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