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Ma macht weiter

Regierungspartei und Amtsinhaber gewinnen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Taiwan

Von Thomas Berger *

Rund 18 Millionen Taiwaner haben am Samstag (14. Jan.) ihren Präsidenten und das Parlament neu gewählt. Der amtierende Präsident Ma Ying Jeou von der Nationalen Volkspartei (KMT) trat gegen Oppositionsführerin Tsai Ing Wen von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und seinen ehemaligen Parteikollegen James Soong an. Der Amtsinhaber kam auf rund 51 Prozent der Stimmen, seine Herausforderin mußte sich mit 46 Prozent begnügen. Sie räumte ihre Niederlage ein und kündigte zudem ihren Rücktritt von der DPP-Spitze an. James Soong holte drei Prozent.

Im Parlament kann die Regierungspartei weiter auf eine absolute Mehrheit zählen. 64 der 113 Sitze reichen aus, um Gesetze im Alleingang beschließen zu können. Der DPP gelang es allerdings, ihre Präsenz von 27 auf 40 Mandate auszubauen. Die People First Party (PFP) von James Soong kam ebenso wie die Taiwan Solidarity Union (TSU) auf drei Sitze und blieb damit hinter eigenen Erwartungen, sich klar als dritte Kraft mit zehn bis zwölf Mandaten zu etablieren, zurück. Die Wahlbeteiligung lag mit 70 Prozent etwas unter dem Wert vom vorigen Mal.

Das Ergebnis sorgt vor allem in Peking für Erleichterung. Ma hatte in seiner bisherigen Amtszeit großen Wert auf eine Verbesserung der Beziehungen zum Festland gelegt und mit diversen bilateralen Abkommen versucht, das Wirtschaftswachstum in Schwung zu bringen. So schlossen Taipeh und Peking im Juni vergangenen Jahres ein Handelsabkommen, mit dem die Zölle für Hunderte Güter gesenkt wurden. In den vergangenen dreieinhalb Jahren öffnete Ma das Land zudem für Touristen aus China und erhöhte die Anzahl der Flüge vom Festland. Mehr als eine Million Festlandschinesen sind 2011 auf die Insel gereist. Trotz des weiter andauernden Konflikts gelten die Beziehungen zwischen China und Taiwan derzeit als so gut wie niemals zuvor.

Trotz dieser Erfolge gibt es Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Mit vier Prozent ist die Zahl der Jobsuchenden für taiwanesische Verhältnisse ziemlich hoch. So waren die Arbeitslosigkeit und Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit für die DPP im Wahlkampf die Hauptangriffspunkte gewesen. In ihrer wirtschaftspolitischen Grundorientierung unterscheidet sich aber auch die wichtigste Oppositionspartei kaum von der regierenden KMT.

Taiwan hätte die Chance gehabt, erstmals eine Präsidentin zu bekommen. Doch auch wenn Tsai weniger als ihre Vorgänger formelle Unabhängigkeit verlangt hat und das Thema im Wahlkampf eher mied, mißtrauen ihr doch etliche Landsleute. Sie fürchten, mit einer Wiederaufnahme solcher Forderungen die Beziehungen zu Peking erneut zu belasten. Die Volksrepublik China sieht Taiwan, das seit 1949 eigene Wege geht, schließlich noch immer als »abtrünnige Provinz«. Mit der Bestätigung Mas im Amt wird die Kooperation fortgesetzt.

* Aus: junge Welt, 16. Januar 2012


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