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Grüne Exportschlager für China

Asiens Wirtschaftsmacht setzt auf Energieeffizienz und Umwelttechnik – auch aus Deutschland

Von Hermannus Pfeiffer *

Die schwarz-rote Bundesregierung setzt auf noch bessere Beziehungen zu China – auch zum Wohle der deutschen Industrie.

Mit einer großen Unternehmerdelegation im Gefolge ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach China gereist. Die 49 Wirtschaftsvertreter haben klare Erwartungen: »In erster Linie geht es uns um Gleichberechtigung«, sagte Hubert Lienhard, Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses und Vorstandsvorsitzender des Maschinenbauers Voith AG. Bislang erlaubt China nur Gemeinschaftsunternehmen. Das betrifft auch den geschäftlichen Schwerpunkt der Reise – die Energie- und Umwelttechnik.

Sigmar Gabriels erster offizieller Programmpunkt seines dreitägigen Besuchs war am Dienstag denn auch die Eröffnung eines Forums für Energieeffizienz in Peking, gemeinsam mit dem kommunistischen Chef der Reformkommission NDRC, Xu Shaoshi. Die NDRC ist auch für verbesserte Luftqualität und Klimaschutz zuständig. China will nach eigenem Bekunden von Wissen und Technik des Energiewendevorreiters Deutschland profitieren.

Schon im Jahr 2011 waren mit dem zwölften Fünfjahresplan ehrgeizige Ziele abgesteckt worden: Die Devise heißt seither nicht mehr »Wachstum um jeden Preis«. Zweistellige Wachstumsraten sollen der Vergangenheit angehören, geplant wird stattdessen mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von jährlich sieben Prozent. Statt auf Quantität setzt Peking seither auf Qualität, Ziel ist eine »grüne Wirtschaft«. So soll die Umweltbelastung unter anderem dadurch gesenkt werden, dass die Verursacher zahlen. Zugleich sollen bis 2015 umgerechnet knapp 90 Milliarden Euro allein für das Recycling von Müll ausgegeben werden. Ein Riesenmarkt auch für deutsche Unternehmen.

In der Bundesrepublik leisten nicht allein grüne Energien, sondern auch Umwelttechniken längst einen großen Beitrag für die Wertschöpfung der Volkswirtschaft. Genaue Gesamtzahlen gibt es wegen der schwierigen Abgrenzung nicht. Aber Maschinen für Abfallbeseitigung und Recycling bringen allein 2,5 Milliarden Euro Umsatz, Wasser- und Abwassertechnik die doppelte Summe. Die Exportquote im Bereich der Umwelttechniken soll 75 Prozent betragen.

Ein Leuchtturm der erhofften grünen Partnerschaft der Wirtschaftsmächte Deutschland und China erstrahlt Mitte Mai in Shanghai: Asiens wohl größte Leistungsschau für Wasserversorgung, Luftreinhaltung und erneuerbare Energien, die »IFAT China«, ist ein Projekt der Messe München.

Doch es geht auch um ganz gewöhnliche Produkte. Deutsche Kapitalbeteiligungen gibt es mittlerweile in rund 1600 chinesischen Unternehmen. Und »die deutsche Exportwirtschaft hat von dem chinesischen Wirtschaftsboom enorm profitiert«, schreibt die staatliche KfW-Bank in einer Studie. Die Warenexporte nach China stiegen zwischen den Jahren 2000 und 2012 von 9,5 auf 66,7 Milliarden Euro. Die deutschen Exporte bestehen zum weit überwiegenden Teil aus hochwertigen industriellen Investitions- und Konsumgütern – auch die sollen nach dem Willen der Chinesen grüner werden.

Im Zentrum der geplanten Ökowende stehen auch in China neue Energien und die Energieeffizienz – schließlich hat das Reich der Mitte nach den USA den höchsten Verbrauch. Hiervon profitiert unter anderen Siemens. Während des Deutschland-Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping Ende März unterzeichnete der Boss des Münchner Anlagenbauers, Joe Kaeser, eine Rahmenvereinbarung mit dem Energieversorger Huaneng: Siemens wird emissionsarme Gasturbinen liefern, alte Dampfturbinen modernisieren und die Windkraft ausbauen. Durch die Kooperation will Huaneng die Effizienz seiner Stromerzeugungsanlagen deutlich verbessern, Energieeinsparungen erzielen und die Entwicklung sauberer Energien fördern. Siemens sieht sich weltweit als einer der größten Anbieter umweltfreundlicher Technologien: Rund 43 Prozent des Konzernumsatzes entfallen laut Firmenangaben auf grüne Produkte und Lösungen. Im Geschäftsjahr 2013 erzielte Siemens mit Kunden in China einen Umsatz von 6,14 Milliarden Euro.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 23. April 2014


Gewaltige Umweltverschmutzung

China ringt mit einer gewaltigen Umweltverschmutzung. Die Regierung hat den Schutz der Umwelt zu einem Thema der nationalen Sicherheit erklärt, die Probleme sind gravierend.

LUFT: Im vergangenen Jahr haben nur 3 von 74 Großstädten den staatlichen Standard für gute Luft eingehalten. In der Hauptstadt Peking leiden die Bürger fast jeden Tag an einer gefährlich hohen Feinstaubkonzen- tration. Nach Zahlen der US-Botschaft hatten sie in den vergangenen sechs Jahren nur 25 gute Tage nach US-Gesundheitsmaßstäben. Zudem bläst die Volksrepublik weltweit am meisten klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft.

BODEN: Rund ein Fünftel von Chinas Agrarland ist verseucht. 19,4 Prozent der Agrarfläche sind laut Umweltschutzbehörde vor allem mit Kadmium, Nickel und Arsen kontaminiert. Zwischen 2005 und 2013 hatte die Behörde die Qualität des Bodens in China untersuchen lassen, aber dann die Ergebnisse zum Staatsgeheimnis erklärt. Erst unter öffentlichem Druck wurde vergangene Woche ein Teil der Ergebnisse veröffentlicht. Aber die Behörde verschweigt noch immer, welche Orte besonders stark vergiftet sind, so dass sich Bürger nicht schützen können.

WASSER: Die Hälfte der größten Seen Chinas ist verschmutzt, wie aus dem Jahresbericht des Umweltministeriums für 2011 hervorgeht. Laut der rund 4700 staatlichen Messstationen steht es um das Grundwasser noch schlechter. 55 Prozent der Messwerte sind »relativ schlecht« oder noch schlechter. Etwa die Hälfte der ländlichen Bevölkerung hat laut Greenpeace keinen Zugang zu Trinkwasser, das internationale Standards erfüllt.




Gabriel frisst grüne Kreide

Kurt Stenger über deutsche Geschäftsinteressen in China **

In China boomt wegen des Energiehungers die Kohleverstromung – ein Hauptgrund für die verpestete Luft in den Großstädten. Gleichzeitig setzt die Führung in Peking wegen der riesigen Umweltprobleme auf mehr nachhaltige Entwicklung. Die Quadratur des Kreises? Das fränkische Unternehmen Knauf hat eine Lösung im Angebot und möchte gerne Rauchgasentschwefelungsanlagen nach China verkaufen. Als Lobbyist der Firma fungiert ein alter Bekannter Pekings: Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der im Tross von SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel gerade in Peking weilt.

Gute Produkte sind nur die halbe Miete – ohne Kontakte nach ganz oben läuft nichts. Als Türöffner haben sich die Regierungen der Exportmacht Deutschland schon immer verstanden. Geändert hat sich das Geschäftsfeld: In Mode ist derzeit die Umwelttechnik, deren Erfolg aber stark von politischen Stimmungen abhängt. Das musste schon die deutsche Solarindustrie schmerzhaft feststellen. Gerade deshalb ist China der Traum eines jeden Verkäufers: Klimaschutz wird dort verordnet und dann auch durchgesetzt. Das freut selbst Energiewendebremser Gabriel, der in Peking Worte benutzt, die ihm zu Hause nie über die Lippen kämen: »Das beste Heilmittel gegen den Klimawandel ist die Verringerung des Energieverbrauchs.« Wenn es den Geschäften der deutschen Firmen nutzt, frisst der Wirtschaftsminister auch mal grüne Kreide.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch 23. April 2014 (Kommentar)


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