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Die Regierung in die Zange nehmen

Nationaler Aktionstag: Costa Ricas soziale Bewegungen marschieren getrennt

Von Torge Löding, San José *

Schlaue Strategie oder Verzettelung? Darüber wird mancher Linker in Costa Rica nach dem nationalen Aktionstag der sozialen Bewegungen am Freitag grübeln. Dieser war von einer Vielzahl dezentraler Aktionen geprägt. Durch die Hauptstadt San José beispielsweise zogen zwei Demonstrationszüge auf unterschiedlichen Routen. Am größeren beteiligten sich knapp tausend Menschen, vorwiegend Studierende, denen sich aber auch Unibeschäftigte und einige Gewerkschafter des linken Dachverbandes CGT angeschlossen hatten.

»Wir sind ein kleiner Teil der Kräfte, die kürzlich ein nationales Aktionsbündnis gegründet haben«, so Cristina Barboza gegenüber junge Welt. Die Vorsitzende des AStA der Universität von Costa Rica (FEUCR) befürwortete die Vielfalt der Aktionen im Land: Während die Studierenden zeitweilig die Straße vor dem Präsidentenpalast blockierten, besetzten Indígenas die Schnellstraße Panamericana im Süden des mittelamerikanischen Landes. Im nördlichen San Carlos, der Grenzregion zu Nicaragua, skandierten unterdessen Campesinos ihre Forderungen.

»Ich glaube an die Macht der Straße. Nur so können wir unsere Forderungen durchsetzen«, sagte Barboza. In der Tat sind diese sehr unterschiedlich - die Studierenden und Unibeschäftigten streiten gegen Haushaltskürzungen im Bildungsbereich, die Gewerkschaften gegen ein neues Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung, die Indigenas für die Anerkennung ihrer Rechte und die Campesinos gegen die Verseuchung des Grundwassers durch Ananasplantagen. »Am Ende kämpfen wir aber alle gegen die Auswirkungen der gleichen Krise und die Folgen der gleichen fatalen Politik der Arias-Regierung«, so Barbozy.

Seine Politik schmückt Präsident und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias von der sozialdemokratischen PLN gerne mit seinem Programm »Frieden mit der Natur« und dem Ziel, das Land bis 2021 »klimaneutral« gemacht zu haben. Trotzdem beteiligten sich die Umweltschützer nicht an den Feierlichkeiten zum Weltumwelttag am Freitag, sondern am »nationalen Aktionstag«. Etwa hundert Menschen protestierten vor dem Umweltministerium. »Das Projekt 'Frieden mit der Natur' ist eine Mogelpackung. Unter der Ägide von Arias erleben wir ökologischen Notstand wie schon lange nicht mehr«, so Heidy Murillo, Vorsitzende des Umweltdachverbandes FECON, gegenüber jW. Als Beispiele nannte sie die Lage in einigen Gemeinden im Süden Costa Ricas. Diese müssen derzeit um ihren Zugang zum Trinkwasser kämpfen. Infolge der von der Regierung unterstützten Vorhaben im Bereich des Massentourismus würde den Anwohnern im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben. Anderenorts wehren sich Küstenbewohner und Fischer gegen ihre Vertreibung durch Immobilienspekulanten.

Besonders offensichtlich sei die unökologische Praxis der Arias-Administration beim Projekt für Goldminen im Tagebau »Las Crucitas« in der Grenzregion mit Nicaragua, gegen welches die Regierung von Daniel Ortega auch bereits protestiert hat. Arias rede zwar vom Erhalt der Natur, habe aber zugleich »den Goldminentagebau zum nationalen Interesse erklärt«, sagte Isaac Rojas von der Organisation Amigos de la tierra. Bereits im März hatte Umweltminister Roberto Dobles seinen Hut nehmen müssen: Seine Frau unterhielt Geschäftsbeziehungen zu eben jenem kanadischen Minenunternehmen, dem er die Konzession zum Goldschürfen erteilt hatte.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in San José, Costa Rica

Aus: junge Welt, 8. Juni 2009



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