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Welche Medizin gegen die Krise?

Costa Rica: Soziale Bewegungen uneins

Von Torge Löding, San José *

Zehn Maßnahmen sollen der Wirtschaftskrise in Costa Rica die Schärfe nehmen und dazu noch sozial ausgewogen sein. Erstmals seit seinem Amtsantritt 2006 empfing Präsident Oscar Arias (PLN) in der vergangenen Woche Vertreter von sozialen Organisationen, die dazu Vorschläge unterbreiteten. Darunter die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes ANEP, Kleinbauern- und Indigenaorganisationen, Umweltschutzgruppen, der katholische Priester Miguel Picado und der lutherische Präses Melvin Jiménez. »Ich beglückwünsche die Organisationen zu diesen interessanten Vorschlägen. Die Regierung wird sehen, welche Maßnahmen sie in ihren Plan einarbeiten kann«, sagte Arias. Präses Jiménez akzeptiere er als Moderator des sozialen Dialoges in Costa Rica. Im übrigen sei seine Regierung keynesianischen Maßnahmen gegenüber nie abgeneigt gewesen.

Die »zehn Maßnahmen« beinhalten die Forderung nach Wiedererlangung der sozial-produktiven Funk­tion des Finanzsystems, eine Kampagne für den Konsum lokaler Güter und für gutbezahlte, abgesicherte Arbeitsplätzen. Die Wirtschaft solle aber nicht nur durch Förderung der Nachfrageseite angekurbelt werden, der Plan sieht auch die Stimula­tion der Angebotsseite durch Kredite für Unternehmen vor. Grundlage des Konzeptes sei indes ein sozialer Dialog. »Das Maßnahmenpaket ist ein integraler Vorschlag, aus dem man nicht einfach einzelne Punkte herausklauben kann«, sagte ANEP-Vorstand Édgar Morales Quesada. »Unser Vorschlag ist ein bescheidener Beitrag und keinesfalls die endgültige Lösung der Wirtschaftskrise«, fügte Heidy Murillo, Vorsitzende des Umweltdachverbandes FECON, hinzu. Es genüge auch nicht, jetzt nur mit den teilnehmenden Organisationen zu diskutieren, sozialer Dialog bedeute eine viel breitere Einbeziehung von zahlreichen anderen Akteuren.

Präsident Arias antwortete auf die Bitte von Präses Jiménez, den Dialog ernst zu nehmen und auch fortzusetzen, mit dem Versprechen nach einem weiteren Treffen noch im Mai. Während der Kampagne zum Volksentscheid über den Beitrag zum CAFTA-Freihandelsabkommen mit den USA vor zwei Jahren waren die Vertreter der sozialen Organisationen von der Regierung Arias noch stets ignoriert worden.

Ein anderer Teil der sozialen Bewegung in Costa Rica lehnt den Dialog mit Oscar Arias deshalb auch ab. Einen Tag nach der ersten Präsenta­tion der »zehn Maßnahmen« in einem Luxushotel in San José im April formierte sich eine neue »Front gegen den Schildplan«. Die Teilnehmenden sehen in dem Maßnahmenpaket der Regierung eine Unternehmeroffensive, die eine weitreichende Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse vorsieht. »Die Reichen sollen die Krise bezahlen. Mit dieser Regierung gibt es nichts zu verhandeln, unsere Kampfmittel müssen Streiks und Massenmobilisierung sein«, sagte David Morero vom Vorstand des linken Gewerkschaftsdachverbandes CGT. Einmütig sprachen sich die Teilnehmer der Veranstaltung, unter ihnen Vertreter der Hafenarbeitergewerkschaft SINTRAJAP und dem AStA der Universität von Costa Rica gegen die »Zehn Maßnahmen« als »ungenügend« und »reformistisch« aus. Für den 6. Juni wollen sie einen Aktionstag vorbereiten, für den es auch die anderen Gewerkschaften zu gewinnen gelte.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in Costa Rica

Aus: junge Welt, 11. Mai 2009



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