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Multis gieren nach edlen Metallen

Bergbaugegner in Mittelamerika feiern vereinzelte Erfolge, doch es gibt kein Grund zur Entwarnung

Von Markus Plate, San José *

Gold erzielt auf dem Weltmarkt Spitzenpreise. Das veranlasst transnationale Konzerne, begierige Blicke nach Zentralamerika zu werfen. Die Anwohner der betroffenen Gebiete wehren sich und können teilweise sogar juristische Erfolge erzielen. Gestoppt ist die Tendenz zum Raubbau freilich nicht.

Infinito Gold ist ausgebremst - vorerst zumindest. Die Expansion der kanadischen Bergbaufirma in Costa Rica ist ins Stocken geraten. Die lokale Anti-Bergbau-Bewegung hatte Ende November 2010 einen seltenen Grund zum Jubeln. Damals annullierte das Oberste Verwaltungsgericht des zentralamerikanischen Landes die Konzession von Infinito Gold für ein Bergbauprojekt in Las Crucitas, im Norden des Landes. Damit scheiterten die zu diesem Zeitpunkt fast 20 Jahre andauernden Bemühungen des Unternehmens, Gold im offenen Tagebau zu schürfen, am Widerstand der lokalen Gemeinden und von Umweltorganisationen.

Infinito Gold kommt seitdem in Costa Rica nicht mehr in die Spur. Das Gericht sorgte sich angesichts der bereits bei der Erschließung des Gebietes angerichteten Schäden um die reichhaltige Biodiversität und um die großen Grundwasserspeicher der Region und prangerte überdies die vielen Ungereimtheiten im vorangegangenen Genehmigungsverfahren an. Unter großem Jubel der Bergbaugegner wurde dieses Urteil am 30. November 2011 vom höchsten Berufungsgericht des Landes bestätigt.

Schule gemacht hat der Fall Infinito Gold noch nicht. Andernorts in Zentralamerika machen transnationale Bergbauunternehmen weiterhin blühende Geschäfte - und verursachen verheerende Umweltschäden. Zum Auslaugen von Gold und Silber aus ihren Erzen werden Cyanidsalze verwendet, die in der Praxis meist ungehindert in Oberflächengewässer gelangen, die Böden verseuchen und erhebliche Gesundheitsgefahren für die örtliche Bevölkerung darstellen. Zu den Gesundheitsschäden, die in Gemeinden in der Nähe von Goldminen unter freiem Himmel beobachtet wurden, zählen Anämie, Knochenschwund, Lungenkrebs, Hauterkrankungen, Atemlähmung, Seh- und Gedächtnisstörungen sowie Niereninsuffizienz.

Die negativen Wirkungen des Bergbaus seien vielfältig, so Dr. Gian Carlo Delgado, von der Nationalen Universität Mexikos (UNAM): »Die vergifteten Böden sind unbrauchbar für Landwirtschaft und Viehhaltung, die Gemeinden verlieren ihre Lebensgrundlage und was droht, sind Geisterstädte.« In Mexiko habe sich der offene Tagebau laut des Ökologen Victor Toledo zur mit Abstand umweltschädlichsten Wirtschaftsaktivität entwickelt: In den am meisten betroffenen Bundesstaaten, Chihuahua, Sonora, Durango und Sinaloa seien bis zu 60 Prozent der Fläche zur Nutzung an Bergbauunternehmen übertragen worden.

Der Wasserverbrauch der Minen ist enorm: Sechs Millionen Liter Wasser soll allein die Mine El Dorado in El Salvador an einem einzigen Tag verbrauchen, soviel wie eine Familie im Dorf nebenan in 20 Jahren nicht benötigt. So kommt neben der Vergiftung auch Wassermangel hinzu. Die Folge: In der Nähe der rund dreißig Minen El Salvadors ziehen die Menschen in Scharen weg. José Antonio Mejía, Sprecher einer Bürgerinitiative, spricht schon von einem Niveau von Vertreibung wie zu Zeiten des Bürgerkrieges.

Die Bergbaulobby ist stark, die Gesetzgebung oft löchrig, die Genehmigungsbehörden korrupt, die Regierungen oft ohne erkennbare Distanz zu starken Lobbygruppen. Ganz anders ist der Umgang mit dem Widerstand gegen Bergbauprojekte. Der wird von Medien, Politik und Unternehmen gemeinsam verteufelt oder unterdrückt - ob in Honduras, Guatemala, El Salvador oder Panama. In El Salvador zum Beispiel hat Präsident Mauricio Funes zwar angekündigt, keine neuen Konzessionen zu genehmigen. Doch dort wo schon welche vorliegen, gehen die zumeist kanadischen Unternehmen rabiat gegen Widerstand vor: Mindestens vier Aktivisten sind in den letzten Jahren ermordet worden, kritische lokale Journalisten werden regelmäßig bedroht. Massive Kritik hat die Ende April von der Oberstaatsanwaltschaft getroffene Entscheidung ausgelöst, die Ermittlungen in den vier Mordfällen einzustellen. Nicht nur für die Bergbaugegner kommt diese Entscheidung einem Freibrief für Morde aus Unternehmensinteressen gleich.

Der Widerstand gegen die Goldminen wird inzwischen durch Freihandelsverträge erschwert: Das CAFTA-Abkommen zwischen den USA und Zentralamerika räumt internationalen Konzernen umfangreiche Rechte und Garantien ein: Als die damalige rechte ARENA-Regierung in El Salvador unter dem Druck der sozialen Bewegungen im Jahr 2006 zwei Bergbauunternehmen die Lizenzen entzog, verklagten die Unternehmen Pacific Rim und Commerce Group den Staat auf insgesamt hundert Millionen Dollar Entschädigung. Auch wenn das CAFTA-Schiedsgericht für Streitfälle die Klage im März 2011 zurückwies: Der Fall zeigt, welch enormes Drohpotenzial die Konzerne gegenüber den Staaten aufbauen können.

Auch in Costa Rica gibt sich die Bergbaulobby keineswegs geschlagen: Infinito Gold hatte noch Ende 2011 Verfassungsbeschwerde gegen die Annullierung seiner Lizenz in Las Crucitas eingelegt. Das Verfahren läuft. Im Mai legte zudem der Bergbauverband Verfassungsklage gegen drei Artikel des Bergbaugesetzes ein. Die Neufassung des Gesetzes vom Dezember 2010 verbietet neue und ebenfalls Verlängerungen bestehender Genehmigungen für Metall-Bergbau-Aktivitäten unter freiem Himmel. Auch wenn Verfassungsrechtler der Klage wenig Chancen einräumen, ist der Umgang mit der Klage für die Bergbaugegner Anlass zur Sorge: Weder die Bergbaulobby, noch das Gericht, noch das costa-ricanische Parlament hatten die Klage publik gemacht. Erst Ende Juni gelangte die Information an die Öffentlichkeit. Die Bergbaugegner befürchten, dass Förderunternehmen und costa-ricanischer Staat hinter verschlossenen Türen versuchen könnten, das bestehende Bergbaugesetz wieder aufzuweichen. Zum Jubel bestünde dann kein Anlass mehr.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 24. Juli 2012


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