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Trinkwasser als Menschenrecht

Costa Rica: Volksinitiative gegen Privatisierung

Von Torge Löding, San José *

Schulkinder haben dem costaricanischen Parlament am vergangenen Donnerstag Tausende Unterschriftenlisten übergeben, auf denen mehr als 150000 wahlberechtigte Bürger Costa Ricas ein neues Wassergesetz unterstützen. Mit diesem Entwurf strebt die landesweite »Allianz zur Verteidigung des Wassers« (ANDA) eine Reform des aktuell gültigen Gesetzes an, das aus dem Jahr 1942 stammt und in vielen Punkten hinfällig ist. Es ist das zweite Mal, daß in Costa Rica ein Gesetzentwurf als Volksinitiative eingebracht wird. Das ist seit dem Jahr 2007 möglich, wenn ihn mehr als fünf Prozent der Wahlberechtigten mit ihrer Unterschrift unterstützen. Innerhalb von zwei Jahren muß das Parlament nun den Gesetzesvorschlag behandeln, kann bis dahin aber noch zahlreiche Änderungen vornehmen.

»Mittlerweile mußten wir erkennen, daß Wasser nicht unendlich vorhanden ist. Das Gesetz von 1942 trägt dem keine Rechnung«, sagte Carlos Manuel Álvarez, der sich in der Stadt Heredia für den Zugang zu Trinkwasser einsetzt, der in Costa Rica bislang für mittel­amerikanische Verhältnisse vorbildlich umgesetzt ist. Die öffentlichen Wasserwerke gewährleisten für 97 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser. Damit das so bleibt, sieht das von der Volksinitiative vorgeschlagene Gesetz die demokratische Partizipation der Anwohner in Wasserausschüssen vor.

Neben der Protokollchefin des Parlaments, der die Unterschriften übergeben wurden, nahm nur der Abgeordnete José Merino von der Linkspartei »Frente Amplio« (Breite Front) an der Zeremonie teil. »Das Gesetz hat nur eine Chance, wenn sich die Zusammensetzung des Parlamentes ändert. Die 150000 Unterstützer müssen zu politische Aktivisten werden und dafür sorgen, daß im Februar keine Kandidaten der Parteien gewählt werden, die für Privatisierung sind«, erklärte Merino mit Blick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen.

»Die größte Gefahr geht von der Privatisierung aus«, sagte auch Marco Mellín Delmore, der in einem Wasserverteilungskomitee in Concepción Naranjo aktiv ist. »Ich habe an internationalen Konferenzen teilgenommen, und insbesondere Vertreter aus Süd­amerika berichteten, wie internationale Konzerne mit großen Versprechen kamen, die öffentlichen Wasserversorger aufkauften und dann die Preise stiegen und die Qualität des Wassers miserabel wurde. In Costa Rica müssen wir das verhindern!«

Die Gesetzesinitiative definiert den Zugang zu Trinkwasser als Menschenrecht. Dadurch wiegen die Interessen von Anwohnern schwerer als etwa Hotelburgen, die heute bereits den Menschen in der Provinz Guanacaste drohen, ihnen das Wasser abzugraben. Weiter definiert der Gesetzentwurf Wasser als öffentliches Gut, das weder privatisiert noch verkauft werden darf. Den Export von Wasser knüpft das Gesetz an klare Regeln.

»Damit steht das Gesetz den Interessen mächtiger Konzerne im Weg, die sich über Freihandelsabkommen den Weg zu unseren natürlichen Ressourcen bahnen wollen«, warnt Rechtsanwalt Rolando Castro. Nach dem Zentral­amerikanischen Freihandelsabkommen (CAFTA) mit den USA wird derzeit ein Assoziierungsabkommen zwischen der Region und der EU verhandelt. Insbesondere Konzerne aus Frankreich und Spanien werfen begehrliche Blicke auf die costaricanischen Wasservorkommen.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in San José, Costa Rica

Aus: junge Welt, 21. September 2009



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