Furcht vor dem Markt diktiert die Zustimmung
Die Mehrheit der dänischen Parteien steht dem Fiskalpakt positiv gegenüber
Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *
Im dänischen Parlament ist ein Ja zum
Fiskalpakt absehbar. Die Bevölkerung
interessiert sich indes mehr für die
kommende Steuerreform.
Wenn das Folketing, das dänische
Parlament, den Beitritt des Landes
zum Fiskalpakt der EU beschließt,
brauchen die Parlamentarier keine
Massendemonstrationen auf
dem Vorplatz befürchten. Weder
Linksparteien noch Gewerkschaftsbünde
rufen dazu auf und
lediglich zwei Parteien – die Rot-
Grüne Einheitsliste auf dem linken
und die Dänische Volkspartei auf
dem rechten Flügel – bekennen
sich als Gegner der EU-Mitgliedschaft.
Während sich die Dänische
Volkspartei kurzzeitig mit einer
Annoncenkampagne in der Öffentlichkeit
profilierte, machte die
Einheitsliste einen Beschlussvorschlag
im Parlament, über den
Beitritt zum Pakt in einem Referendum
zu entscheiden. Ihrer
Meinung nach greift der Pakt so
tief in die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten
des dänischen
Staates ein, dass die Rede von
Souveränitätsabgabe ist.
Europaminister Nikolaj Wammen
wies dies im Namen der Mitte-
Links-Regierung zurück und
sprach davon, dass der Fiskalpakt
dazu beitragen werde, das Vertrauen
der internationalen Finanzmärkte
und der EU-Partner
weiterhin in die dänische Haushaltsdisziplin
zu erhalten. Wammen
stützt sich bei dieser Aussage
auf ein Gutachten, das das Justizministerium
im Auftrag der Regierung
ausarbeitete. Der Fiskalpakt
verletzt nach diesem Gutachten
auch nicht die dänische Sonderregelung
zum Maastrichtvertrag
von 1992, die den Verbleib
außerhalb der Eurozone bestätigt.
Finanzielle Stabilität, Bekämpfung
des Haushaltsdefizites und
Begrenzung des Wachstums der
öffentlichen Ausgaben sind gegenwärtig
die Hauptziele der dänischen
Regierung, die in dieser
Hinsicht auf die Unterstützung der
bürgerlichen Opposition rechnen
kann. Zweifellos wird das Ja zum
Fiskalpakt den Mitgliedern der
Sozialistischen Volkspartei wehtun.
Auch wenn sich die Partei vom
EU-Skeptiker zum kritischen Anhänger
gewandelt hat, würde die
Basis gern sehen, dass gegen den
Pakt gestimmt wird; aber die Regierungsbeteiligung
verpflichtet zu
positiver Stimmenabgabe.
Dänemark hat auf den Finanzmärkten
mit »AAA« weiterhin das
bestmögliche Rating, und die Krone
ist an den Euro gebunden. Beides
soll unbedingt aufrechterhalten
werden. Ein Budgetgesetz nach
dem Vorbild des deutschen Verfassungsparagrafen,
das im März
beschlossen wurde, soll unter anderem
dazu beitragen. Der Gewerkschaftsdachverband
LO wie
auch die Regierung wünschen lediglich,
dass das Budgetgesetz sowie
die beschlossenen Sparmaßnahmen
durch Initiativen zum
Wachstum ergänzt werden; doch
der staatliche Spielraum dazu ist
begrenzt auf wenige Milliarden
Kronen.
Für den Durchschnittsdänen
sind die Diskussionen im Folketing-
Saal weit weg vom Alltag, zumal
sie in den letzten Wochen nur
sporadisch in den Medien diskutiert
wurden. Interessanter für den
Arbeitnehmer wie Arbeitslosen
sind die Ergebnisse der gegenwärtigen
Verhandlungen zwischen
Regierung, Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbänden. Primär
geht es um die Sicherung eines
größeren Arbeitskräftepotenzials.
Arbeitnehmer sollen durch Steuererleichterungen
ermuntert werden,
mehr und länger zu arbeiten.
Ob die Verhandlungen wie geplant
noch vor der parlamentarischen
Sommerpause zu einem Ergebnis
führen werden, ist ungewiss.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 31. Mai 2012
Fiskalpakt
Welche Länder beteiligen
sich?
Von den 27 EU-Ländern
beteiligen sich nur Großbritannien
und Tschechien nicht
an dem Abkommen. Die nationale
Ratifizierung ist nach
der bereits Anfang März erfolgten
Unterzeichnung nun
der nächste Schritt. Griechenland,
Portugal, Slowenien
und Rumänien haben den
Pakt bereits ratifiziert.
Was beinhaltet der Fiskalpakt?
Schärfere Budgetdisziplin:
Das strukturelle – also das von
der Konjunkturentwicklung
unabhängige – Defizit darf die
Grenze von 0,5 Prozent der
Wirtschaftsleistung nicht
mehr überschreiten. Sonst
werden Strafverfahren ausgelöst,
die nur durch ein
Mehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten
gestoppt
werden können. Abweichungen
sind nur für Länder erlaubt,
deren Gesamtverschuldung
»deutlich unter 60 Prozent
« der Wirtschaftsleistung
liegt. Pflicht zur Schuldenbremse:
Wird keine Schuldenbremse
im nationalen
Recht verankert, droht eine
Klage vor dem Europäischen
Gerichtshof. Der kann eine
Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts
verhängen. Die Strafgelder
der Euro-Staaten würden
an den künftigen Euro-
Rettungsfonds ESM gehen, die
anderer Staaten in den EU-Haushalt.
Wie sieht es in Deutschland
aus?
Bundestag und Bundesrat
müssen dem Fiskalpakt mit
Zweidrittelmehrheit zustimmen.
Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) braucht daher
auch Stimmen aus der Opposition
– die stellt Bedingungen.
Die SPD will etwa, dass parallel
zu dem Pakt ein umfangreiches
Wachstums- und Beschäftigungsprogramm
aufgelegt
wird. Ähnliches fordern
die Grünen.
Welche Forderungen
stellt Frankreich?
Der französische Präsident
François Hollande will den
Fiskalpakt in seiner jetzigen
Form nicht ratifizieren, sondern
um ein Wachstumsprogramm
ergänzen.
Wie sieht es in den restlichen
Unterzeichnerstaaten
aus?
In den übrigen Ländern
werden bisher keine Probleme
bei der Ratifizierung erwartet.
In Schweden und Dänemark
sowie in Spanien, Italien und
Polen soll die Ratifizierung
noch vor der Sommerpause
abgeschlossen sein. Ziel ist,
dass der Vertrag zum 1. Januar
2013 in Kraft tritt.
AFP/nd
(nd, 31. Mai 2012)
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