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Uran spaltet Grönland

Parlament hebt Abbauverbot auf / Regierung vergibt Lizenz für Eisenerzabbau

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Die Regierung Grönlands setzt in großem Stil auf Bergbau und riskiert damit Konflikte mit Dänemark und Teilen der Bevölkerung.

Das grönländische Parlament hat mit der denkbar knappsten Mehrheit von 15:14 Stimmen nach langer und heftiger Debatte das seit 1988 bestehende Verbot der Urangewinnung aufgehoben. Neben der sozialistischen Oppositionspartei Inuit Ataqatigiit (IA) votierten auch Parlamentarier der regierenden sozialdemokratischen Siumut-Partei dagegen. Während Regierungschefin Aleqa Hammond Grönland unter die ersten fünf Uranexporteure der Welt führen möchte, kündigte IA-Vorsitzender Kuupik Kleist an, eine Volksabstimmung über die Frage der Urangewinnung abzuhalten. Diese spaltet auch die Bevölkerung des zu Dänemark gehörenden autonomen Gebietes. Am Mittwochabend hatten Gegner wie Unterstützer in der Hauptstadt Nuuk demonstriert. Daran nahmen jeweils mehrere Hundert Personen teil, was für eine Stadt mit 16 000 Einwohnern viel ist.

Formell hat Grönland das Recht, über den Bergbau im eigenen Gebiet zu entscheiden, nachdem das Eigentumsrecht über Rohstoffe im Zuge der Autonomie 2009 von der Zentralregierung übernommen wurde. Uran fällt als radioaktiver Stoff aber eigentlich in den Bereich Sicherheitspolitik, der weiterhin von Kopenhagen aus wahrgenommen wird. Die Autonomieregierung in Nuuk, nach deren Meinung Uran ein ganz normales Erz ist, solange es zu friedlichen Zwecken verwendet wird, will notfalls ein dänisch-grönländisches Schiedsgericht anrufen, um ihre Interessen durchzusetzen. Ungeachtet des Streits, der Potenzial hat, die staatliche Gemeinschaft auseinander zu reißen, muss gemäß internationalen Konventionen ein umfangreiches Kontrollregime eingerichtet werden. Es soll sicherstellen, dass grönländisches Uran nicht zur Waffenproduktion benutzt wird. Weder Grönland noch Dänemark haben zur Zeit das Wissen oder Personal für diese Aufgabe.

Zum Jahreswechsel wird zudem ein Expertenbericht über die Auswirkungen der Urangewinnung auf Umwelt, Gesundheit und andere Wirtschaftsbereiche wie Fischerei, Tourismus und Schafzucht erwartet. Das Problem des radioaktiven Abfalls ist völlig ungelöst. WWF, Greenpeace und grönländische Umweltgruppen haben daher große Bedenken angemeldet.

Die Autonomieregierung begründet ihren Eifer, Bergbau in großem Stil zu etablieren, mit den Zwängen von Demografie und Ökonomie. Die Bevölkerung, die nur rund 55 000 Menschen zählt, wird angesichts sinkender Geburtenzahlen immer älter. Die staatlichen Haupteinnahmequellen sind die dänischen Zuschüsse, die rund ein Drittel des Haushalts ausmachen und mit dem Autonomiestatus eingefroren wurden, sowie die Fischerei. Hier machen Fangquoten Steigerungen unmöglich. Die Hoffnung ist, im Bergbau durch Steuern, Lizenzeinnahmen und Arbeitsplätze die steigenden Haushaltsdefizite auszugleichen.

Dabei geht es nicht nur um Uran. Die Regierung vergab jetzt auch erstmals eine umfangreiche Bergbaulizenz. Die Firma London Mining will 150 Kilometer von Nuuk entfernt Eisenerz abbauen und dazu etwa zwei Milliarden Euro investieren. Allerdings sind die Finanzierung und der Zeithorizont ebenso unklar wie die Frage, wie viele Grönländer dauerhaft Beschäftigung finden könnten.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Oktober 2013


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