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Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz in Deutschland

Zweiter Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz über Deutschland, verabschiedet am 15. Dezember 2000

Ende August 2001 beginnt in Durban (Südafrika) eine Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und die ersten Stimmen werden laut, wonach diese Konferenz scheitern könnte, bevor sie überhaupt erst begonnen hat. So drohen z.B. die USA mit einem Boykott der Konferenz, wenn die arabischen Staaten an ihrer Absicht festhalten, den Zionismus als eine bsondere Form des Rassismus an den Pranger zu stellen. Wenig Gefallen finden die USA auch an der Forderung einiger afrikanischer Staaten nach einer Entschädigung für jahrhundertelange Sklaverei und Ausbeutung durch die führenden Kolonialmächte. Die Bundesregierung denkt nicht an einen Boykott, sondern wird versuchen die strittigen Themen mit diplomatischen Floskeln zu umschiffen. Sie hat im Moment aber auch wenig Grund, sich öffentlich weit aus dem Fenster zu hängen, da Deutschland vor kurzem von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ein schlechtes Zeugnis in Sachen Rassismus ausgestellt bekam. Wir dokumentieren im Folgenden einige wesentliche Auszüge aus dem Kommissionsbericht sowie im Anschluss eine etwas schwache amtliche Stellungnahme der Bundesregierung, die den ECRI-Bericht zurückweist.

Einleitung

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist ein Organ des Europarates, das sich aus unabhängigen Mitgliedern zusammensetzt. Ihr Ziel ist die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz auf gesamteuropäischer Ebene im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte.

Einer der Pfeiler des Arbeitsprogramms von ECRI ist der länderspezifische Ansatz, bei dem die Situation in Bezug auf Rassismus und Intoleranz in jedem Mitgliedstaat des Europarates analysiert und Vorschläge zur Lösung der aufgezeigten Probleme unterbreitet werden.

Ende 1998 schloss ECRI die erste Runde der Länderberichte über alle Mitgliedstaaten ab. Der erste Bericht von ECRI über Deutschland stammt vom 7. Februar 1997 (veröffentlicht im März 1998). Die zweite Phase des länderspezifischen Ansatzes begann im Januar 1999 und beinhaltet die Ausarbeitung eines Zweiten Berichts über jeden Mitgliedstaat. Ziel dieses zweiten Berichts ist die Weiterverfolgung der Vorschläge aus den ersten Berichten, die Aktualisierung der hierin enthaltenen Informationen sowie eine tiefgreifende Analyse einiger Themen, die in dem betreffenden Land von besonderem Interesse sind.

Ein wichtiger Teil der länderspezifischen Arbeit von ECRI ist der vertrauliche Dialog mit den nationalen Behörden des betreffenden Landes, bevor der Bericht endgültig verabschiedet wird. In der zweiten Runde der Länderberichte werden nun Kontaktbesuche für die Berichterstatter von ECRI organisiert, bevor der zweite Bericht ausgearbeitet wird.

Der Kontaktbesuch in Deutschland fand vom 23. bis 26. Oktober 2000 statt. Bei diesem Besuch trafen die Berichterstatter mit Vertretern der verschiedenen Ministerien und öffentlichen Verwaltungen zusammen, die für die Fragen, die in den Aufgabenbereich von ECRI fallen, zuständig sind.

Der folgende Bericht wurde von ECRI in Eigenverantwortung verfasst. Er behandelt die Lage am 15. Dezember 2000. Alle Entwicklungen nach diesem Datum werden von der folgenden Analyse nicht abgedeckt oder bei den Schlussfolgerungen und Vorschlägen von ECRI in Betracht gezogen.

Zusammenfassung

In den letzten Jahren hat Deutschland eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ergriffen, einschließlich der Ratifizierung mehrerer wichtiger internationaler Rechtsinstrumente, Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts, um langfristig Ansässigen und in Deutschland geborenen Kindern den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu erleichtern, sowie Maßnahmen zur Durchsetzung des Strafrechts bei rassistischen und antisemitischen Straftaten.

Deutschland ist jedoch eine Gesellschaft, in der schwere rassistisch motivierte Gewalttaten begangen werden. Das bedeutet, dass Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass und Intoleranz erst noch als solche erkannt und bekämpft werden müssen. Der bestehende Gesetzesrahmen und die politischen Maßnahmen haben sich als unzureichend bei der wirksamen Bekämpfung dieser Probleme erwiesen. Besonders besorgniserregend sind die Situation von und die Einstellung gegenüber denen, die als "Ausländer" betrachtet werden, die unzureichenden Maßnahmen für die Integration und die fehlende Anerkennung, dass die deutsche Identität mit anderen Identitätsformen als den traditionellen einher gehen kann.

Im folgenden Bericht empfiehlt ECRI den deutschen Stellen, weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass und Intoleranz in einigen Bereichen zu ergreifen. Diese Empfehlungen umfassen unter anderem, die Notwendigkeit eines Gesetzesrahmens zur Bekämpfung dieser Phänomene, der angemessen und wirksam ist; die Notwendigkeit, Schranken und Probleme der Diskriminierung in Schlüsselbereichen wie Wohnungsbau, Ausbildung und Beschäftigung aufzuzeigen; die Notwendigkeit, Deutschland als ein Einwanderungsland und den positiven Beitrag der Menschen ausländischer Herkunft anzuerkennen; die Notwendigkeit, verschiedene Identitätsformen neben der deutschen Identität anzuerkennen; die Notwendigkeit, die Verbindung zwischen rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Gewalttaten und dem allgemeinen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz anzuerkennen und unterschiedliche Aktionen gegen dieses ernste Problem zu ergreifen.

Teil II: FRAGEN VON BESONDEREM INTERESSE

38. In diesem Teil des Länderberichtes möchte ECRI die Aufmerksamkeit auf einige Belange lenken, die ihrer Meinung nach besonderer und dringender Aufmerksamkeit in dem betreffenden Land bedürfen. Im Fall Deutschlands möchte ECRI auf die Herausforderung der Integration und das Problem rassistischer und antisemitischer Gewalt und Belästigung aufmerksam machen.

M. Die Herausforderung der Integration

39. Laut dem zentralen Ausländerregister (Statistik von Ende 1999) sind etwa 8,9 % der Bevölkerung in Deutschland Migranten. Diese Zahl umfasst Personen und ihre Familien, die nach Deutschland gezogen sind, um die Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarktes als Gastarbeiter zu decken. 1999 waren etwa 16,4 % der Zuwandererbevölkerung Flüchtlinge und Asylbewerber. Etwa 22,3 % der Zuwandererbevölkerung sind in Deutschland geboren, 67,85 % sind unter 18 Jahre alt. Ende 1999 lebten 32 % der gesamten Zuwandererbevölkerung zwanzig Jahre oder länger in Deutschland, 40 % länger als 15 Jahre und 53 % länger als 10 Jahre. Die Durchschnittsaufenthaltsdauer von Gastarbeitern ist übrigens höher als diese Statistiken auf den ersten Blick zeigen, da die Zahlen einen recht großen Zustrom von Asylbewerbern und Flüchtlingen in den letzten Jahren und die kurze "Aufenthaltdauer" von in Deutschland geborenen Einwandererkindern beinhalten.

40. Trotz der relativ großen Anzahl von Zuwanderern in Deutschland und der Zeit, die diese Menschen im Land verbracht haben, sieht sich Deutschland nicht als Einwanderungsland. Diese Personen, sogar diejenigen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland geboren sind, bleiben Zuwanderer oder Ausländer in der deutschen Statistik, der öffentlichen Meinung und dem öffentlichen Leben. Die Verwendung des Begriffs "Ausländer" lässt darauf schließen, dass damit häufig eine noch größere Bevölkerungsgruppe bezeichnet werden soll, einschließlich der Minderheiten, die seit vielen Generationen in Deutschland leben. Diese Auffassung spiegelt sich im Staatsangehörigkeitsrecht wider, nach dem - bis zu den jüngsten Änderungen - in Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern nicht automatisch die Staatsangehörigkeit erhalten haben, im Gegensatz zu außerhalb des Landes geborenen Personen deutscher Abstammung, die gemäß dem Prinzip Jus soli automatisch ein Anrecht auf die Staatsangehörigkeit haben.

41. Demographische Tendenzen in Deutschland (Bevölkerungsrückgang) und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes brachten Deutschland dazu, seine Tore für diese Zuwanderer zu öffnen. Die größte Gruppe (2,2 Millionen) stammt aus der Türkei. In der Politik und der Einstellung gegenüber diesen Menschen ließ man sich von einer "Gastarbeiter"-Strategie leiten, bei der sie hauptsächlich nach ihrer Nützlichkeit beurteilt wurden. Diese Menschen haben daher, obwohl ihre Lebensmitte in Deutschland liegt, oft eine widerrufliche Aufenthaltsgenehmigung, was abgesehen von den Problemen der Diskriminierung, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, ihre Möglichkeit zur Integration und Beteiligung am gesellschaftlichen Leben in Deutschland beeinträchtigt. Weiterhin obliegt es den Nichtstaatsangehörigen, sich in die deutsche Gesellschaft einzupassen und die Maßnahmen zur Integration haben keine Priorität. Dieser Ansatz führte manchmal dazu, dass die Einwanderergemeinden von der restlichen Bevölkerung abgeschottet sind, Probleme beim Erlernen der deutschen Sprache und andere soziale Schwierigkeiten haben. Eine solche Situation verstärkt auch die negativen Klischeevorstellungen und Vorurteile gegenüber Zuwanderern, während die vielen positiven Beiträge, die diese Personen zur deutschen Gesellschaft leisten können und leisten, ignoriert werden. ECRI begrüßt die Bemühungen in einigen Städten und Gemeinden in diesem Sinne, die Mittel für besondere Initiativen zur Verfügung gestellt haben, um diesen Menschen und ihren Kindern zu helfen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Sie bestärkt die deutschen Stellen, sie als Möglichkeit zur Behandlung solcher Themen aufzugreifen.

42. ECRI begrüßt die Tatsache, dass man in Deutschland damit begonnen hat, sich als Einwanderungsland zu betrachten und über die Einrichtung eines umfassenden Integrationsprogramms zu diskutieren. ECRI unterstreicht die Bedeutung einer solchen veränderten Haltung. ECRI ist der Auffassung, dass die Probleme mit dem Rassismus und der Diskriminierung mit der allgemeinen Vorstellung von Platz und Rolle der Einwanderer in der deutschen Gesellschaft in Verbindung stehen. ECRI ist der Ansicht, dass eine verstärkte Anerkennung der vielfältigen Zusammensetzung und des positiven Beitrages der Menschen ausländischer Herkunft in der deutschen Gesellschaft dazu beitragen würde, viele Probleme des Rassismus und der Diskriminierung zu lösen und auch eine Bereicherung der deutschen Gesellschaft als Ganzes wäre.

43. Derzeit wird ein beunruhigender Begriff in den Debatten und Diskussionen über Integration und Einwanderung verwendet, der Begriff der "Leitkultur". Dieser Begriff spiegelt ein Konzept der deutschen Identität als homogene Gesellschaft wider und die Angst vor den Auswirkungen der Vielfalt auf die Kultur und die Identität. Er verstärkt auch die negativen Klischeevorstellungen von anderen Kulturen und lässt den Wert und den wichtigen Beitrag der Minderheiten in Deutschland außer Acht. ECRI fordert die politischen Parteien und die Meinungsbildner auf, öffentlich alle derartigen Vorstellungen mit fundierten Argumenten anzugreifen und die Rolle der ethnischen Minderheiten in der deutschen Gesellschaft realistischer darzustellen und auf ihren positiven Beitrag hinzuweisen. ECRI ist auch der Auffassung, dass die deutsche Gesellschaft stärker als eine Gesellschaft anerkannt werden muss, in der verschiedene Formen der Identität mit der traditionellen deutschen Identität in Einklang gebracht werden können. Dies würde es allen Mitgliedern der deutschen Gesellschaft ermöglichen, eine echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen zu genießen.

N. Rassistische und antisemitische Gewalt und Belästigung

44. Rassistische und antisemitische Gewalt ist eine der gefährlichsten Ausdrucksformen des Rassismus und der Intoleranz in Deutschland. Es gibt zahlreiche Berichte über Belästigungen und Angriffe, teilweise mit Todesfolge, gegen Mitglieder von Minderheitengruppen, die in einigen Regionen des Landes Angst haben, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Diese Angriffe richten sich gegen Personen ausländischer Herkunft sowie gegen Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft. Erkennbare Minderheiten sind solchen Angriffen besonders ausgesetzt. Dieses Problem wird in Deutschland in der Öffentlichkeit heiß diskutiert, wobei die Vertreter der Regierung und der Nichtregierungsorganisationen versuchen, den besten Weg zur Bekämpfung solcher Straftaten zu finden. Diese Taten werden hauptsächlich von Neo-Nazigruppen oder anderen rechtsextremen Gruppen begangen. Die meisten Täter sind zwischen vierzehn und einundzwanzig Jahre alt. Deutsche Verfassungsschützer warnten, dass die "Harte Rechte" in Deutschland immer besser bewaffnet ist und immer gewalttätiger wird. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schätzte, dass mehr als die Hälfte der gewalttätigen Rechten in den neuen Bundesländern leben. Obwohl nur 2 % der ostdeutschen Bevölkerung Ausländer sind (verglichen mit 9 % in Gesamtdeutschland) und nur 20 % der Deutschen in diesem Gebiet leben, werden etwa die Hälfte der rassistischen Straftaten in den neuen Bundesländern verübt.

45. Das ist offenbar ein komplexes Problem mit vielen ineinander verflochtenen Ursachen. Einer der Gründe sind die besonderen Bedingungen der Jugend, die die Straftaten begehen, und ihre örtliche Umgebung. Hierzu gehören Faktoren, die allgemein zur Jugendkriminalität beitragen, Gründe, warum einige deutsche Jugendliche anfällig für rechtsextreme Propaganda und Ideologie sind sowie Faktoren, die spezifisch für die Gemeinden und Regionen sind, in denen die Neonazis aktiv sind. Auf der anderen Seite sind die Ursachen in der breiten Gesellschaft und dem bestehenden politischen Klima zu finden. Hierzu gehören offener und latenter Rassismus und Antisemitismus, der allgemein in einigen Teilen der deutschen Gesellschaft auftritt, Gleichgültigkeit gegenüber solchen Phänomenen, Vorstellungen von Ausländern und ihrem Platz in der deutschen Gesellschaft sowie diskriminierende Politik und Praktiken, die den Rassismus und den Antisemitismus noch verstärken. ECRI glaubt, dass es für eine effiziente Bekämpfung dieses Problems wesentlich ist, dass die verschiedenen Faktoren in einer vielfältigen Strategie analysiert und angesprochen werden, die sowohl sofortige als auch langfristige Maßnahmen vorsieht.

Gesetzgebung und ihre Durchführung

46. Wie bei früheren Gewalttaten (siehe oben, Bestimmungen des Strafrechts) ist einer der Bereiche, auf den sich die zuständigen Behörden konzentrierten, die Durchführung der strafrechtlichen Bestimmungen. Die zuständigen Behörden auf Länder- und Bundesebene diskutieren über diese Angelegenheit. Das Hauptaugenmerk liegt auf Methoden, die es der Polizei ermöglichen, effektiv die rechtsgerichteten Organisationen zu überwachen und schnell auf Zwischenfälle und Angriffe zu reagieren. Vor kurzem wurde eine Entwicklung angekündigt, nämlich eine aktivere Rolle des Bundesgrenzschutzes (BGS) insbesondere bei Aktivitäten der Rechtsextremisten in und um Bahnhofseinrichtungen. Eine Hotline des Bundesgrenzschutzes wurde hierzu eingerichtet, die landesweit zur Verfügung steht und dem Bundesgrenzschutz zusätzliche Informationen über rechtsgerichtete Aktivitäten geben soll. Der BGS soll alle gesammelten Informationen an die zuständigen Polizeibehörden der Länder weitergeben und ihnen bei der Bekämpfung der rechten Gewalt erforderlichenfalls zur Seite stehen. Auch mögliche Änderungen der Verfahrensregeln werden zur Verbesserung der Rolle des Generalbundesanwalts bei der Verfolgung der Fälle erwogen, um ihre Bedeutung zu erhöhen. Die Internetüberwachung wurde verstärkt, da die deutschen Stellen der Auffassung sind, dass dies ein wichtiges Instrument für rechtsgerichtete Gruppen ist. ECRI unterstützt die deutschen Stellen in ihren Bemühungen und fordert sie auf, weiterhin nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Umsetzung der Strafgesetzgebung auf allen Ebenen des Strafrechtssystems (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichtswesen) zu streben. ECRI verweist darauf, dass alle Strafvollzugsbeamten die notwendige Ausbildung erhalten sollten, damit sie die entsprechenden Rechtsbestimmungen effektiv umsetzen können. Wie ECRI in ihrem ersten Bericht erwähnte, sollten die zuständigen deutschen Stellen auch die Ergebnisse der Strafverfolgung von Straftaten gegen Angehörige von Minderheitengruppen und die Art der Strafe für diejenigen, die für eine solche Straftat verurteilt werden, überwachen und darüber Bericht erstatten.

47. ECRI ist der Auffassung, dass der Kampf gegen diese Gewalt noch verstärkt werden könnte, indem rassistisch begründete Straftaten als besondere Straftaten eingestuft werden oder der rassistische Beweggrund als erschwerender Faktor von den Gerichten berücksichtigt wird. Eine solche Bestimmung setzt nicht nur einen Rahmen, in dem härtere Strafen für solche Straftaten systematisch und konsequent ausgesprochen werden, sondern hat auch eine symbolische Bedeutung, da er zeigt, dass rassistische Gewalt nicht toleriert wird. Brandenburg hat ein Gesetz ausgearbeitet, das die Strafverfolgung von Deutschen, die Internetseiten zur Förderung von Rassismus ins Internet stellen, aus dem Ausland gestattet. ECRI begrüßt diese Initiative und hofft, dass sie auf Bundesebene angenommen wird. ECRI unterstreicht auch in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer umfassenden Antidiskriminierungsgesetzgebung, die bereits in diesem Bericht erwähnt wurde (siehe Bestimmungen des Zivil- und Verwaltungsrechts). Obwohl eine solche Gesetzgebung nicht unmittelbar auf Straftaten ausgerichtet ist, trägt sie wesentlich zur Bekämpfung der Diskriminierung im Alltag bei, die Teil eines allgemeinen Klimas des Rassismus ist, das der Gewalt zugrunde liegt.

48. ECRI verweist in diesem Zusammenhang auf ihre allgemeine politische Empfehlung Nr. 1, in der sie die Mitgliedstaaten aufforderte, "Maßnahmen, einschließlich ggf. notwendiger rechtlicher Maßnahmen, zur Bekämpfung rassistischer Organisationen zu ergreifen, einschließlich des Verbots solcher Organisationen, wenn sie der Auffassung sind, dass dies zum Kampf gegen den Rassismus beiträgt". ECRI stellt mit Interesse fest, dass die Bundesregierung einen Antrag an das Verfassungsgericht gestellt hat, um die Nationaldemokratische Partei (NPD) für verfassungswidrig erklären zu lassen. ECRI stellt ebenfalls fest, dass die Bundesregierung eine Reihe von Skinhead-Vereinigungen verboten hat und bestärkt sie darin, weiterhin wachsam zu sein und die in derartigen Fällen anwendbaren strafrechtlichen Bestimmungen durchzuführen.

Meinungsklima

49. ECRI ist der Auffassung, dass obwohl eine relativ kleine Zahl von Personen rassistische und antisemitische Straftaten begehen oder aktiv extremistische Gruppierungen, die solche Straftaten verüben, unterstützen, eine weitaus größere Zahl von Menschen mit einigen der rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Ideen sympathisiert, die Teil der Ideologie dieser Gruppen sind. Diese Handlungen können als extremer Ausdruck eines allgemeinen Klimas von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz angesehen werden. Daher ist ECRI der Auffassung, dass für eine effektive Lösung der derzeitigen Probleme der Belästigung und Gewalt andere Ausdrucksformen von Rassismus und Intoleranz bekämpft werden müssen. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem die Angehörigen von Minderheitengruppen geachtet werden und ihr Beitrag zur deutschen Gesellschaft geschätzt wird.

50. Politiker, Journalisten und andere Personen des öffentlichen Lebens spielen hierbei eine wichtige Rolle. Sie sollten vermeiden, negative Klischeevorstellungen und Feindseligkeiten gegenüber Ausländern und Angehörigen von Minderheitengruppen zu verbreiten. Stattdessen sollten sie an der Spitze derer stehen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung aussprechen und sicherstellen, dass Angehörige von Minderheitengruppen als gleichwertige und erwünschte Bürger gesehen werden (siehe auch den Abschnitt Medien oben). ECRI unterstreicht in diesem Zusammenhang die Verbindung zwischen negativen und vorurteilsbehafteten Äußerungen über Ausländer im Zusammenhang mit dem Thema Staatsangehörigkeit und Asyl einerseits und Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz gegenüber Personen ausländischer Herkunft andererseits. ECRI verweist auch auf die Vorstellung von dem Platz der Einwanderer in der deutschen Gesellschaft, der oben ausführlich behandelt wurde (siehe oben N. Meinungsklima). ECRI hebt hier hervor, dass es im Kampf gegen rassistische Gewalt und Belästigungen wichtig ist, dass alle politischen Parteien und Vertreter der Versuchung widerstehen, Minderheiten, Zuwanderer, Flüchtlinge und Asylbewerber negativ zu belegen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Politische Parteien und Vertreter sollten stattdessen entschlossen gegen jede Art von Rassismus, Diskriminierung und Fremdenhass Position beziehen und es ablehnen eine Politik zu betreiben, die sich von dieser Einstellung leiten lässt. Gleichzeitig sollte die Existenz von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz in der deutschen Gesellschaft öffentlich anerkannt werden. Das ist ein notwendiger erster Schritt, um aktiv diese Phänomene und ihre Gewaltausbrüche zu bekämpfen. In diesem Sinne begrüßt ECRI die Schaffung eines "Bündnisses für Demokratie und Toleranz" durch die Bundesregierung, das den Rahmen für die politischen Aktivitäten schafft und Akteure aus Politik, Gesellschaft und Privatwirtschaft zusammenbringen soll. Obwohl im Folgenden ausführlich erklärt, verweist ECRI auf ihre Überzeugung, dass ein besseres Verständnis eines modernen Deutschlands, in dem verschiedene Formen der Identität mit der traditionellen deutschen Identität vereint werden, dazu beitragen könnte, ein Klima zu schaffen, in dem die Vielfalt geschätzt wird.

51. ECRI beobachtet bei den deutschen Behörden und den Medien die Tendenz, das Problem der rassistischen und antisemitischen Gewalt und Belästigung als Problem der neuen Bundesländer darzustellen. ECRI erkennt es als faktisch richtig an, dass das Auftreten von Gewalt ein in diesem Teil Deutschlands größeres Problem ist und dass es in den neuen Bundesländern - aufgrund der historischen Umstände und der Wende - besondere Bedingungen gibt, die analysiert und berücksichtigt werden müssen, damit die Gewalt wirksam bekämpft werden kann. ECRI hebt jedoch hervor, dass sich rassistische Belästigungen und Gewalt auch in den alten Bundesländern zu einem schwerwiegenden Problem entwickelt haben. Sie unterstreicht, dass es wichtig ist, dass die relativ hohe Anzahl von Angriffen im Osten nicht die allgemeinen Ursachen der Gewalt verdeckt, die oben aufgeführt wurden und die nicht nur im Osten auftreten. ECRI erhielt auch Berichte, die auf die Art und Weise, wie die Wende vor sich ging und auf das Problem der Diskriminierung von Ostdeutschen durch die Westdeutschen, wie zum Beispiel die unterschiedliche Bezahlung in den alten und den neuen Bundesländern, hinwiesen. Dies vermittelte bei einigen den Eindruck von Ungerechtigkeit, der die ostdeutsche Jugend und das allgemeine Klima der Intoleranz in diesem Bereich beeinflusst.

Engagement auf kommunaler Ebene

54. Aktivitäten auf kommunaler Ebene, in die Jugendliche, Menschen ausländischer Herkunft, ethnische Minderheiten, Vertreter der Zivilgesellschaft und der Gemeinden eingebunden werden, sind wichtig für den Kampf gegen rassistische und antisemitische Gewalt. ECRI nimmt mit Interesse die Aktivitäten in einer Reihe von Gemeinden zur Kenntnis, bei denen verschiedene Akteure im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz zusammenarbeiten und Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Phänomens ergreifen. ECRI begrüßt ebenfalls die vielfältigen Initiativen der Zivilgesellschaft, die sich auch auf den Bildungsbereich und die Stärkung der Kommunen erstrecken, und bestärkt die kommunalen Behörden, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen und solche Initiativen zu unterstützen. ECRI ist der Auffassung, dass es wichtig ist, Akteure aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und den betroffenen Gemeinschaften in die Entwicklung und Ausführung der Initiativen einzubinden.




ANHANG

Nach dem Dialog ersuchten die deutschen Regierungsbehörden explizit, die folgenden Beobachtungen von Seiten der deutschen Behörden als Anhang in den Bericht von ECRI aufzunehmen.

BEOBACHTUNGEN DER DEUTSCHEN BEHÖRDEN ZUM BERICHT VON ECRI ÜBER DEUTSCHLAND

Einleitung (Executive summary)


Die Aussagen (2. Absatz)

· that issues of racism ... are yet to be adequately acknowledged und · the existing legal framework and policy measures have not proven to be sufficient to effectively deal with these problems

sind zu pauschal und geben die Realität in Deutschland nicht wieder.

Die Aufgaben der Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sind in Deutschland rechtzeitig erkannt und anerkannt worden. Es sind sehr viele Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen ergriffen worden. Diese Maßnahmen sind in der Stellungnahme des deutschen NLO, die im August 2000 gegenüber ECRI abgegeben worden ist, im Detail dargestellt. Zu verweisen ist insbesondere auf die Seiten 3ff (Prävention von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Extremismus und Gewalt), 15f (Maßnahmen im Bereich Schulbildung und Fortbildung), 16ff (Ausbildung der Polizei), 19f (Sensibilisierung), 21ff (Verbesserung der Bildungs- und Berufsbildungschancen), 25ff (Berichterstattung der Medien), 28f (Maßnahmen im Bereich der Wohnungsbaupolitik), 29ff (Bekämpfung von rassistischen und antisemitischen Handlungen).

Eine Regierung, die sich eines Problems nicht bewusst ist, würde nicht so viele Aktivitäten ergreifen. Dass dies geschehen ist, räumt der Bericht auch an einer Vielzahl von Stellen (z. B. im Einleitungssatz des Executive summary) ein. Insoweit ist der Bericht auch in sich widersprüchlich.

Der Vorwurf, die ergriffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend gewesen, um die Probleme anzugehen (to deal with), enthält den unausgesprochenen Vorwurf, es seien generell (nur) ungeeignete Maßnahmen ergriffen worden. Auch Maßnahmen, die nicht unmittelbar zu einer Lösung der aufgetretenen Probleme führen, können nicht von vornherein als unwirksam qualifiziert werden.

Die Aussage (2. Absatz), in Deutschland gebe es nur "insufficient measures of integration" ist wiederum eine unzulässige Pauschalierung. Auch wenn Maßnahmen zur Integration nicht zu hundertprozentigen Erfolgen führen, ist es nicht gerechtfertigt, sie als unzureichend zu bezeichnen. Auch hierzu wird auf die vorstehend zitierte Auflistung aus der Stellungnahme des deutschen NLO vom August 2000 Bezug genommen.

(Die nachfolgenden Bemerkungen bezogen sich auf Ziffern im Bericht, die wir oben nicht dokumentiert haben. Die von uns dokumentierten Ziffern bleiben demnach auch von deutscher Regierungsseite unwidersprochen.)

Quelle: ECRI, Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Zweiter Bericht über Deutschland, verabschiedet am 15. Dezember 2000

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