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Deutsche Beihilfe zum Völkerrechtsbruch

Eine Hubschrauberbesatzung der Bundespolizei leistete vor der afrikanischen Küste fragwürdige Amtshilfe

Von Fabian Lambeck *

Deutsche Bundespolizisten sind im Rahmen ihres Einsatzes für die europäische Grenzschutzagentur Frontex in völkerrechtswidrige Abschiebungen verwickelt.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex koordiniert die europäische Flüchtlingsabwehr hauptsächlich im Mittelmeer und vor der afrikanischen der Atlantikküste. Über die südlichen Seegrenzen versuchen alljährlich Zehntausende Habenichtse illegal in die EU einzureisen. Frontex soll keine humanitäre Hilfe leisten, sondern Flüchtlinge an die afrikanische Küste zurückdrängen. Dem Inselstaat Malta kommt dabei als europäischer Vorposten im Mittelmeer eine herausragende strategische Bedeutung zu. Deshalb hat auch der Bundesgrenzschutz dort zwei hochmoderne Puma-Hubschrauber stationiert, die im Rahmen der Operation »Nautilus IV« bei der Ortung von Flüchtlingsbooten helfen sollen.

Dabei musste Frontex-Chef Ilkka Latinen bereits im letzten Jahr das Scheitern seiner Agentur eingestehen. Denn die Patrouillenfahrten der Frontex-Boote ziehen Flüchtlinge an, anstatt sie abzuschrecken. Die voll besetzten Flüchtlingsboote steuern oftmals direkt auf die Patrouillenboote zu, um sich von den Europäern retten zu lassen. Grund dafür ist unter anderem das fehlende Rückführungsabkommen mit Libyen, von dessen Küste sich alljährlich Tausende auf dem Weg in die EU machen. Somit kann Frontex die Immigranten nicht einfach zurückschicken. In anderen Regionen Afrikas ist man da schon weiter. So gibt es entsprechende Rücknahmevereinbarungen bereits mit Senegal und Mauretanien.

Doch mit der Unterzeichnung des »Freundschaftsvertrages« zwischen Italien und Libyen hat sich die Lage im Mittelmeer grundlegend verändert. In dem im Herbst 2008 unterzeichneten Abkommen hat sich Libyens Diktator Ghaddafi verpflichtet, abgefangene Flüchtlinge zurückzunehmen. Allerdings gilt dies nur für Immigranten, die von italienischen Grenzern aufgegriffen wurden. Doch trotz dieser Einschränkung eröffnen sich damit auch für EU-Staaten wie Deutschland ganz neue Perspektiven. Unter bewusster Verletzung aller völkerrechtlichen Standards versucht man nun offensichtlich, die Immigranten nach Libyen abzuschieben. So berichtete die Zeitung »Malta Today on Sunday« am 21. Juni, dass mehrere Dutzend Flüchtlinge – unter ihnen auch Frauen und Kinder – auf hoher See von einem italienischen Küstenschiff aufgebracht worden seien. Rund 100 Meilen südlich von Malta hätte man die Betroffenen dann an ein libysches Patrouillenschiff übergeben. Das Flüchtlingsboot sei nur mit Hilfe einer deutschen Hubschrauberbesatzung entdeckt worden, so die Zeitung. Die Bundesregierung leugnet die Ortung durch einen deutschen Bundespolizei-Hubschrauber nicht, weist aber jede Verantwortung für »Aufgriff« und »Übergabe« der Flüchtlinge zurück. In einer Antwort auf die schriftliche Frage des grünen Bundestagsabgeordneten Josef Winkler heißt es, die Besatzung des Hubschraubers habe lediglich Informationen eines »zivilen Luftfahrzeugs« an die Einsatzzentrale in Malta weitergegeben. Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl, kritisiert gegenüber ND die angebliche »Unwissenheit« der Bundesregierung als »Taschenspielertrick«. Es sei seit Monaten bekannt, so Kopp, »dass Italien unter Bruch des Völkerrechts mit Libyen kooperiert«. Deshalb müsse die Regierung diese Zusammenarbeit unverzüglich einstellen, fordert Kopp.

Die Praxis der Italiener ist ein klarer Verstoß gegen das »Non-Refoulement-Verbot« der Genfer Flüchtlingskonvention. Es untersagt die zwangsweise Beförderung von Personen in einen Staat, in welchem sie Folter, unmenschlicher Behandlung oder anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Über die unhaltbaren Zustände in den rund 20 libyschen Sammellagern für Flüchtlinge dürften auch die zuständigen Fachpolitiker in Berlin im Bilde sein. Dort wird gegen sämtliche im Refoulement-Verbot aufgeführten Kriterien verstoßen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2009


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