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Keine gemeinsamen Saunabesuche, aber engere Wirtschaftsbeziehungen mit Russland

Wie geht es nach der Bundestagswahl in den deutschen Beziehungen zu Russland weiter? Der Russlandexperte Alexander Rahr hat RIA Novosti auf einige Fragen dazu geantwortet. *



Frage: Wie wird sich aus Ihrer Sicht der teilweise Führungswechsel in Berlin nach der Bundestagswahl vom 27. September auf die deutschen Beziehungen zu Russland auswirken?

Antwort: Es gibt diesbezüglich zwei Thesen. Die eine These lautet, außenpolitisch bleibt alles unverändert.

Die andere lautet, mit Steinmeier verschwindet ein Anhänger der blauäugigen Ostpolitik und jetzt wird die FDP versuchen, Fragen der Menschenrechte, Chodorkowski, die Rechtssicherheit in Russland stärker auf die Tagesordnung zu setzen.

Ich persönlich glaube, dass die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sehr pragmatisch bleiben, und ich verweise darauf, dass die FDP ja etwa drei Jahrzehnte in Deutschland in der außenpolitischen Verantwortung stand.

Sie hat in den siebziger Jahren die Ostverträge, in den achtziger Jahren die Wiedervereinigung Deutschlands und die Verhandlungen mit Gorbatschow sowie in den neunziger Jahren den Beginn der strategischen Partnerschaft mit einem neuen Russland voll mitgetragen und mitgestaltet.

Deshalb denke ich, dass sich die Bedingungen unter einem möglichen Außenminister Westerwelle vielleicht doch noch positiver gestalten könnten oder vielleicht konkreter gestalten können als unter einem SPD-geführten Außenamt.

Frage: Wird das wirtschaftliche Element dabei stärker in den Vordergrund rücken und/oder werden solche Projekte wie beispielsweise die Übernahme der Werften in Rostock und Stralsund beziehungsweise von Opel durch russische Unternehmen auf größeren Widerstand stoßen?

Antwort: Es wird progressiver werden, weil die Wirtschaftsinteressen der deutschen Industrie in Russland so groß sind, dass sie jeden Kanzler oder jeden Politiker einfach nach Russland treiben. Es geht ja jetzt darum, Deutschland nach der Finanzkrise wieder aufzurichten und das geht nur über die Stärkung des Exports. Russland könnte nach China zum zweitgrößten Exportmarkt für Deutschland werden.

Deshalb wird man sich die Beziehungen mit Russland nicht kaputt machen lassen. Nicht von der Politik, aber die tut das ja auch nicht. Deshalb denke ich, dass die Wirtschaft weiterhin einen sehr großen Einfluss auf die deutsche Außenpolitik haben wird.

Frage: Wird es auch eine noch stärkere persönliche Annäherung geben, wie es zwischen Putin und Schröder oder Putin und Bush der Fall war?

Antwort: Ich glaube nicht, dass Herr Lawrow, anders als Kohl mit Jelzin, mit Herrn Westerwelle in die Sauna gehen wird. Frau Merkel geht ja mit Herrn Medwedew auch nicht in die Sauna. Aber Spaß beiseite, ich glaube, dass diese persönlichen Freundschaften eine wichtige strategische Bedeutung hatten für die Annäherung beider Länder nach dem Kalten Krieg.

Und inzwischen sind die Beziehungen zu Russland in Deutschland Routine geworden. Man braucht jetzt keine Aufhänger mehr wie die Staatschefs, die da die Breschen schlagen. Über den Petersburger Dialog, über andere Institute und Kooperationsmechanismen und Foren hat sich so viel schon entwickelt, dass es sich von selbst trägt. Deshalb kommt es nicht zu dieser personifizierten strategischen Partnerschaft.

Die Partnerschaft ist inzwischen auf die Ebene der Zivilgesellschaften, auf die Wirtschaftsverbände, auf die politischen Institute übergegangen und sie wird jetzt routinemäßig weitergeführt.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 30. September 2009; http://de.rian.ru


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