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Deutschlands Zukunft und das Meer

Ein Analyse maritimer Machtambitionen – von der Hanse bis in die Gegenwart

Von René Heilig *

»Schon zweimal war Deutschland eine Seemacht. Die Hanse prägte 500 Jahre europäischer Geschichte und gilt heute als Vorbild für Europa«, heißt es zur Einführung des neuen Buches von Dr. Hermannus Pfeiffer. Das mag man zunächst für überzogen halten, doch je mehr man sich in dieses historische Kapitel über die »Seemacht Deutschland« hineinliest, umso mehr gewinnt diese These an EU-europäischer Gestalt. Eher geneigt, dem Autoren zu folgen, ist man, wenn er des Kaisers Flottenprogramm und deutsche maritime Ambitionen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts darstellt.

Und was das Aktuelle betrifft – ausgerechnet einen Containerfrachter hat man abgebildet auf dem Buchtitel ... Ja klar, vor einigen Wochen noch wären von dieser Art Frachtschiff auch noch viel mehr in Fahrt gewesen. Deutschland hätte mit Stolz darauf verwiesen, die größte Flotte für diese Art von Seetransport zu besitzen. Doch nun, da sich die weltweite Krise gnadenlos auf Märkte und Handelsströme niedersenkt, findet man derartige Schiffe immer öfter an die Kette und damit zur Ruhe gelegt in Häfen und Buchten.

Es mag zunächst verwirrend klingen: Doch gerade dies ist ein Beleg dafür, wie aktuell das Buch von Pfeiffer – vielen Lesern auch als Autor des ND bekannt – ist. Irgendwann wird das wirtschaftliche Wellental überwunden sein und nur die Reeder und Werften werden weiter aufschwimmen, die die Konkurrenz unter Wasser drücken konnten. Die deutsche maritime Wirtschaft hat beste Chancen, zu den Gewinnern der Krise zu gehören. Pfeiffer, Wirtschaftswissenschaftler wie Soziologe, erklärt, warum, zeigt, wie die Wirtschaft es seit den Zeiten der rot-grünen Koalition und auch unter Schwarz- Rot verstanden hat, die Politik für ihre Ziele einzuspannen.

Manches, was als Beleg aktueller Entwicklungen angeführt ist, hat man in Medien wahrgenommen. Doch gerade die fachkundige Verknüpfung von Nachrichten, ihre Einordnung in eine Gesamtstrategie, macht den Vorzug des Buches aus. Namen und Verweise auf scheinbar nur fachlich ausgerichtete Konferenzen geben im Zusammenklang Einblick in ein Netzwerk, das an Profitmaximierung wie an Teilhabe an westlich-maritimer Geostrategie orientiert ist.

Beispiel Flottenrüstung: Pfeiffer skizziert die Zielstrebigkeit, mit der die deutsche Industrie sich als Ganzes wieder ins Geschäft mit den Waffen gebracht hat. Zielstrebig steuert die deutsche Marine mit neuartigen U-Booten, modernen Korvetten und weitreichenden Fregatten eine neue Weltgeltung an. Die deutsche Marine ist vor Südamerika wie vor afrikanischen und Mittelmeerküsten präsent.

In welchem Umfang man zu »neuen Ufern« strebt, beschreibt der Autor so: »In der Bundesrepublik Deutschland sind Industrie und Staat, Reedereien und Gewerkschaften, Finanzdienstleister und Flotte, Wissenschaftler und Ministerien zu einem Maritimen Komplex verbunden.« Damit, so liest man weiter, »folgen sie ihren egoistischen Interessen, aber auch einer Vorstellung von nationalen Interessen im Zeitalter der Globalisierung.«

Etwas zu knapp ausgefallen ist in Pfeiffers Buch die »Passage 2 – Schiffe unterm Hakenkreuz«. Dreieinhalb Seiten zum Anspruch der Nazis, den Welthandel »der Anderen« zu torpedieren, scheint unverhältnismäßig. Positiv dagegen sind mit Sicherheit das umfangreiche Literaturverzeichnis, die Zeittafel sowie das Personenregister. Dieser Service hilft, weitere Literatur zu erschließen.

Hermannus Pfeiffer: Seemacht Deutschland, Ch. Links Verlag: Berlin 2009; 221 Seiten, 16,90 Euro; ISBN-10: 3861535130; ISBN-13: 9783861535133

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juni 2009


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