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Chance für Werften

Nach Übernahme durch russischen Investor keimt in Wismar und Rostock-Warnemünde Hoffnung. Hälfte der 2500 Beschäftigten könnte dennoch ihren Job verlieren

Von Herbert Wulff *

Nach dem Verkauf der insolventen Wadan-Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde an einen russischen Investor besteht unter den Beschäftigten wieder Hoffnung. Der ehemalige Energieminister Rußlands, Igor Jussufow, der die Werften rückwirkend zum 15. August für 40,5 Millionen Euro übernommen hat, will allerdings nur den Erhalt knapp der Hälfte der insgesamt 2500 Arbeitsplätze garantieren. Gewerkschaft und Betriebsrat hoffen dennoch darauf, daß allen Werftarbeitern, von denen der Großteil schon in einer »Transfergesellschaft« ist, eine Perspektive geboten werden kann.

»Wir haben den Eindruck, daß der Investor ein vernünftiges Konzept und ein ernsthaftes Interesse daran hat, hier langfristig etwas aufzubauen«, erklärte Heiko Messerschmidt vom IG-Metall-Bezirk Küste am Dienstag auf jW-Nachfrage. Am Montag abend war der Verkauf der traditionsreichen Werften an Jussufow besiegelt worden. Zuvor hatte die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns, bei der das Unternehmen mit rund 35 Millionen Euro in der Kreide steht, durch ihre Zustimmung zum Übernahmekonzept den Weg dafür freigemacht. »Wichtig war für uns vor allem die Rückmeldung vom deutsch-russischen Gipfel, um die notwendige Sicherheit zu erhalten«, kommentierte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) den Beschluß. Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) ergänzte: »Es gilt, eine Abwägung zu treffen: Zwischen der Situation, daß die Werften stillstehen oder mit einem Investor die Chance auf einen Neustart zu eröffnen, auch dann, wenn nur schrittweise Arbeitsplätze entstehen.«

Die Aufträge für die beiden Werften sollen künftig vor allem aus Rußland kommen. Über Joint-ventures mit Firmen der Föderation sollen in Wismar und Warnemünde eisbrechende Tanker, aber auch Bohrplattformen und Offshore-Windkraftanlagen gebaut werden. »Es gibt auf beiden Seiten die Erwartung, daß wir von dieser strategischen Zusammenarbeit profitieren«, erklärte der Sohn des Investors, Witali Jussufow. Mit dem bisherigen, ebenfalls russischen Eigentümer Andrej Burlakow hatten die Werftarbeiter schlechte Erfahrungen gemacht. Immer wieder versprochene Aufträge kamen niemals zustande.

»Jetzt müssen die Anstrengungen darauf gerichtet sein, allen 2500 Beschäftigten eine Perspektive zu bieten«, betonte Gewerkschaftssprecher Messerschmidt. Zugesagt hat der Investor lediglich den Erhalt von 1200 Stellen. Wer seinen Arbeitsplatz behält und was mit den anderen Beschäftigten geschieht, ist bislang völlig unklar. »Die Belegschaft hat bisher alles nur aus der Zeitung erfahren. Bis auf die genannten Zahlen wissen auch wir nichts«, berichtete ein Betriebsratsmitglied gegenüber jW.

Am 1. September soll die Produktion den Plänen des neuen Eigentümers zufolge wieder anlaufen. Ob das allerdings so kommt, hängt von einer Einigung mit der schwedischen Stena-Linie über die Fertigstellung von zwei Fähren ab, die das Unternehmen noch bei Wadan in Auftrag gegeben hatte. Am heutigen Mittwoch wollen Investor und Insolvenzverwalter nach jW-Informationen nach Schweden reisen, um mit Stena zu verhandeln. Komme es zur Einigung, »könnten kurzfristig 600 bis 700 Leute wieder mit der Arbeit anfangen«, erklärte Messerschmidt. Zur Zeit sind bis auf einige Dutzend Instandhalter alle 2500 Beschäftigten in einer »Transfergesellschaft« angestellt, in der sie 69 bzw. 76 Prozent ihres bisherigen Einkommens erhalten und an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen. Die Gesellschaft soll bis Ende des Jahres bestehen. »Wir hoffen, daß wir bis dahin deutlich weiter sind«, so Messerschmidt.

Darüber, welche Arbeits- und Tarifbedingungen künftig in den Werften gelten, muß zwischen IG Metall und Betriebsrat auf der einen und dem neuen Eigentümer auf der anderen Seite noch verhandelt werden. »Für uns ist klar, daß das Unternehmen auch in Zukunft tarifgebunden sein muß«, postulierte Messerschmidt.

* Aus: junge Welt, 19. August 2009


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