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Etappensieg für Correa

Ecuador: Nach zweiwöchiger Unterbrechung arbeitet der Kongreß wieder. Referendum über Verfassungsversammlung am 15. April

Von Timo Berger *

Präsident Rafael Correa geht vorerst als Sieger aus dem Machtkampf mit der Opposition hervor. Der von der rechten Opposition dominierte Kongreß nahm am Dienstag seine ordentlichen Sitzungen wieder auf. Zwei Wochen lang war nach der Absetzung von 57 Oppositionsvertretern nicht die notwendige Zahl Abgeordneter zusammengekommen. Kongreßpräsident Jorge Cevallos hatte sich zunächst geweigert, die Stellvertreter der Abgeordneten nachrücken zu lassen. Am Dienstag lenkte der Politiker von der größten Oppositionspartei PRIAN ein und vereidigte 21 Ersatzdelegierte. Damit war das notwendige Quorum erfüllt.

Parlament abgeriegelt

Noch am Dienstag morgen war die Situation in der Innenstadt von Quito angespannt. 1300 Polizisten schirmten das Parlament weitläufig ab. Anhänger der Opposition und der Regierung hatten Demonstrationen vor dem ehemaligen Gebäude der Zentralbank angekündigt. Doch die Lage blieb friedlich. Wie später bekannt wurde, waren die 21 Nachrücker bereits im Morgengrauen, verkleidet als Polizisten, ins Parlamentsgebäude geschleust worden.

In der vergangenen Woche war es in der ecuadorianischen Hauptstadt zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition gekommen. Am Dienstag vergangener Woche drangen einige der abgesetzten Abgeordneten gewaltsam in den Kongreß ein. Dabei kam es zu einem Handgemenge mit Polizisten. Zwei Tage später griffen Anhänger der Regierung Oppositionsabgeordnete an. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist der Streit um ein geplantes Referendum, in dem die Ecuadorianer über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung entscheiden sollen.

Die Reform der Verfassung ist eines der Hauptanliegen des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa. Ende November 2006 setzte sich der linksgerichtete, ehemalige Wirtschaftsminister in einer Stichwahl gegen den konservativen Unternehmer Álvaro Noboa durch. Bei den vorher stattfindenden Parlamentswahlen hatte Correas Partei Alianza País aber keine eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Im Wahlkampf geißelte Correa die »Mafia der korrupten Parteien« und versprach dem Land einen politischen Neuanfang. So war es nur konsequent, daß Correa am Tag seines Amtsantritts, dem 15. Januar, die Oberste Wahlbehörde per Dekret beauftragte, eine Volksbefragung zur Überarbeitung der Verfassung durchzuführen.

Gegen die »Parteienmafia«

Correa will in einer neuen Verfassung die Privilegien der Parteien beschneiden und den Weg zu einem weitreichenden Umbau des ecuadorianischen Staates ebnen. Politische Beobachter erwarten, daß der Verfassungskonvent auch die Auflösung des Kongresses beschließen wird. Im Parlament wurde Correa anfangs nur von einer Minderheit unterstützt, unter anderem den Abgeordneten von Pachacuti, dem politischen Arm der Indigenen Bewegung CONAIE. In den vergangenen Wochen kam es zu einer Annäherung mit der PSP, der Partei des ehemaligen Präsidenten Lucio Gutiérrez.

Vor zwei Wochen eskalierte der Streit zwischen Correa und der Opposition. Nachdem die Oberste Wahlbehörde den 15. April als Termin für das Referendum festgelegt hatte, sich aber bei den Modalitäten der Volksbefragung nicht an eine Kongreßvorlage gehalten hatte, votierte eine Mehrheit der Abgeordneten für die Absetzung des Leiters der Behörde, Jorge Acosta. Dieser weigerte sich jedoch zurückzutreten und entzog den 57 Abgeordneten der Opposition das Mandat.

Kritiker machen Correa für die Krise verantwortlich. Auf sein Drängen habe die Oberste Wahlbehörde ihre Kompetenzen überschritten, indem sie kurzerhand für die Vorbereitungsphase der Volksabstimmung »Wahlzeiten« ausgerufen habe. Der Verfassung zufolge ist die Behörde in Wahlzeiten die höchste staatliche Autorität.

* Aus: junge Welt, 22. März 2007


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