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Neuanfang mit Correa

Bilanz der Regierung Ecuadors kann sich sehen lassen, doch Linke und Indígenas kritisieren den Präsidenten trotzdem

Von Benjamin Beutler *

Kaum jemand rechnete im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Ecuador am 26. November 2006 damit, daß der damals 43 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler Rafael Correa aus ihr als Sieger hervorgehen würde. Sein schärfster Gegenkandidat war der »Bananenkönig« und Milliardär Álvaro Noboa. Aus eigener Tasche hatte der reichste Mann des Andenlandes den teuersten Wahlkampf aller Zeiten bezahlt. Doch trotzdem verlor der Unternehmer die Stichwahl, am Ende lag Correa mit 56,6 Prozent der Stimmen mehr als 13 Prozentpunkte vor seinem Konkurrenten. Correas Stärke war, daß er ohne eine Partei angetreten war, denn durch innenpolitische Krisen und Korruptionsskandale hatten die alten politischen Vereinigungen bei der Mehrheit der 13 Millionen Ecuadorianer jede Glaubwürdigkeit verspielt. Statt »Partidokratie« versprach der spätere Präsident eine »Bürgerrevolution«, Demokratie von unten statt von oben.

Ecuador stabilisiert

Correa steht für einen Neuanfang in Politik und Wirtschaft. Seit seinem Amtsantritt im Januar 2007 ist Ecuador stabil wie lange nicht, denn in den zehn Jahren zuvor hatte kein Präsident seine Amtszeit regulär beenden können. Per Plebiszit wurde im September 2008 eine neue Verfassung verabschiedet, 81 Prozent der Wähler votierten für kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung sowie mehr Mitbestimmung durch Bürgerbeteiligung. Der Einfluß der katholischen Kirche im Bildungswesen wurde beschnitten, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausgeweitet und amtliche Lebenspartnerschaften für Homosexuelle erlaubt. Ausländischen Mächten wurde die Stationierung von Truppen im Land verboten, so daß Correa den Vertrag über den bis dahin einzigen Luftwaffenstützpunkt der USA in Südamerika nicht verlängerte. Im September 2009 räumte das US-Militär endgültig ihre satellitengestützten Spionagesysteme an der Pazifikküste in Manta. Auch der Wahlkampf darf nicht mehr aus privaten Mitteln bestritten werden. Zudem erlaubt die neue Magna Charta eine Wiederwahl des Präsidenten, so daß Correa bei den Wahlen 2013 erneut antreten und im Falle eines Erfolgs bis 2017 regieren kann. Bei den nach Inkrafttreten der neuen Verfassung notwendig gewordenen Neuwahlen im September 2007 errang die von Correa und seinen Anhängern ins Leben gerufene »Alianza PAIS« im Parlament 70 Prozent der Sitze.

Umfragen bestätigen Correa Beliebtheitswerte um die 70 Prozent. In der Wirtschaft verfolgte der promovierte Ökonom bisher einen Kurs der Gesundung. Die Bedienung der von Vorgängerregierungen angehäuften Auslandsschulden hat keine Priorität mehr. Einen Freihandelsvertrag mit den USA lehnte Correa mit Hinweis auf die »Zerstörung Tausender Arbeitsplätze« in der Landwirtschaft ab. Unter anderem durch eine Neuverhandlung der Verträge mit den Energiekonzernen erreichte die Regierung eine stärkere Beteiligung des Staates an den Erdöleinnahmen. 2008 wurden mit dem Fernsehsender Ecuador TV, dem Rundfunkkanal RPE und mehreren Tageszeitungen erstmals öffentlich-rechtliche Medien geschaffen, um das Meinungsmonopol der Privaten zu brechen. Sozialprogramme wie eine monatliche Unterstützung von 30 US-Dollar für die Ärmsten, ein »Haus-Bonus« für den Kauf oder Bau von Wohnraum und die kostenlose Verteilung von Medikamenten haben geholfen, die Armutsrate in Ecuador zu verringern.

CONAIE protestiert

Trotzdem kommt Kritik an Correa nicht nur von rechts, sondern auch von links, so von Gewerkschaften und linken Parteien. Vor allem aber die starke Dachorganisation der Indígenas, CONAIE, setzte sich erfolgreich mit Kampagnen an der Pazifikküste, in den Anden und am Amazonas gegen die »Privatisierung des Wassers« zur Wehr. Kommunale Wasserräte und die öffentliche Hand dürften das knapp werdende Blaue Gold nicht aus der Hand geben, kritisierten sie ein von der Regierung vorgelegtes »Wassergesetz«. Den wochenlangen Protesten begegnete Correa mit dem Vorwurf des »Separatismus«. »Infantile« Indigene und Linksromantiker« würden sich mit ihrem »ökologischen Fundamentalismus« gegen die Entwicklung Ecuadors stellen. Die CONAIE, die über die US-Entwicklungsbehörde USAID und die mit ihr verbundene »Nationale Stiftung für Demokratie« (NED) Gelder aus den USA erhält, protestiert auch gegen ein neues Bergbaugesetz, das nach ihrer Ansicht gegen das in der Verfassung garantierte Mitspracherecht indigener Völker bei der Vergabe von Abbau- und Förderlizenzen verstößt. Trotzdem verurteilte die CONAIE in einer am Freitag (1. Okt.) verbreiteten Erklärung den »verkappten Staatsstreich«, der auch durch die Nachgiebigkeit der Regierung gegenüber der Rechten provoziert worden sei.

* Aus: junge Welt, 2. Okt. 2010


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