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Erfolg für Indigene

Ecuadors Regierung geht auf Forderungen von Gruppen ein

Von Oliver Hölcke, Quito *

Kriegsbemalte Gesichter, bunte Stirnbänder, folkloristische Trachten. Am vergangenen Montag war der »gelbe Salon« im Präsidentenpalast in Quito mit 130 Delegierten der verschiedensten indigenen Gruppen gut gefüllt. Alle drängten sich auf Einladung von Präsident Rafael Correa um den Verhandlungstisch. Unterdessen ließen draußen auf dem Plaza de la Independencia über 2000 vom Land angereiste Indigene, mit Lanzen und Blasrohren bewaffnet, ihren Unmut freien Lauf.

Auslöser der Proteste waren neue Gesetze zur Regelung der Wasser-, Öl- und Minenfrage, die insbesondere die Provinzen im ecuadorianischen Amazonasgebiet betreffen, die schon seit den 40er Jahren unter der massiven Präsenz von Erdölfirmen und Minengesellschaften leiden. Das neue Minengesetz erlaubt nun weiteren Unternehmen, wie den kanadischen Firmen CorrienteInc. (ETQ) und Kinross Gold Corp. (KGC), im Amazonasbecken zu fördern. Das Bündnis indigener Nationen Ecuador (CONAIE) befürchtet eine gesetzlich verankerte Ausbeutung des indigenen Landes und rief daher immer wieder zu Protesten und Blockaden wichtiger Straßen auf. Höhepunkt des bisherigen Widerstandes war eine Straßenblockade in Macas vor anderthalb Wochen. Bei der Räumung durch die Polizei wurden ein Angehöriger der Shuar getötet und mindestens 40 Menschen verletzt.

Die Demonstrationen und der öffentliche Druck haben jetzt Präsident Rafael Correa dazu gezwungen, sich mit den Indigenen an einen Tisch zu setzen. Der erste am Montag live im Fernsehen übertragene Verhandlungstag entwickelte sich zu einer sechseinhalbstündigen, hitzigen Debatte. Es war ein Rundumschlag. Die Indigenen nutzten die Gunst der Stunde und sprachen gleich mehrere Themen an. Am Ende ist ein Sechs-Punkte-Entwurf heraus- gekommen, der vorsieht, daß es weitere regelmäßige Treffen geben soll, deren Agenda von den Indigenen bestimmt wird. Präsident Correa erklärte sich zudem bereit, für das Treffen in den Amazonas zu fahren. Die Teilnehmer des Dialoges sollen aus der höchsten Ebene der Regierung und der indigenen Organisationen kommen. Weiterhin ist vorgesehen, daß die Gesetze zum Thema Wasser und Minen von speziellen Kommissionen, an denen auch Indigene beteiligt sind, analysiert und gegebenfalls verändert werden.

Einigen Indigenen geht der Entwurf jedoch nicht weit genug. Sie forden zum Beispiel für die Provinzen Pastaza und Morano Santiago, die im Amazonasbecken liegen, eine ökologische Zone, in der es überhaupt keine Aktivitäten von Minengesellschaften und Erdölfirmen geben soll. Tito Puenchir, Präsident der Indigenenorganisation Confenaice, forderte dies sogar als siebten Punkt in den Entwurf aufzunehmen und kündigte an: »Wir werden solange nicht in unsere Provinzen zurückkehren, bis es eine Festlegung in diesem Fall gibt.« In Pastaza und Morano Santiago kam es auch in den Tagen nach dem Treffen wieder zu Straßenblockaden.

* Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009


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