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Ecuador streitet mit den Nachbarn

Abgesetzter Präsident Gutiérrez macht mobil

Von Tommy Ramm, Bogotá*

Kaum im Amt, macht sich die ecuadorianische Regierung unter Präsident Alfredo Palacios Feinde. Die Beziehungen zum Nachbarn Kolumbien stehen vor einer Zerreißprobe.

Die Generäle blieben stur. Die Bitte der kolumbianischen Armeeführung an ihre ecuadorianischen Kollegen, sie im Kampf gegen die Guerilla zu unterstützen, blieb unerfüllt. Nur wenige Tage vorher waren bei einem Angriff der FARC-Guerilla nahe der Grenze zu Ecuador 19 kolumbianische Soldaten getötet worden. Kolumbien wies darauf hin, dass sich die Rebellen ins Nachbarland zurückziehen und ihre Angriffe dort planen. Ecuadors Regierung solle sich daher stärker im Kampf gegen die Guerilla engagieren. Doch Außenminister Antonio Parra reagierte scharf: "Das wird es nicht geben, das wäre eine Verrücktheit!"

Parra schob die Schuld für die unsichere Grenzsituation Kolumbien zu: "Während 14 000 ecuadorianische Soldaten die Grenze sichern, gibt es auf kolumbianischer Seite keine Militärs." Er erklärte Ecuador für neutral, nannte den bewaffneten Konflikt im Nachbarland einen »Bürgerkrieg« und kündigte an, für Kolumbianer die Visapflicht einzuführen. Das hätte erhebliche Konsequenzen: Rund eine halbe Million Kolumbianer – vielfach Flüchtlinge – leben in Ecuador und müssten das Land womöglich verlassen.

Der diplomatische Konflikt ist einer von vielen, den sich die seit dem 20. April amtierende Übergangsregierung unter Alfredo Palacios geleistet hat. "Die Mitglieder der ecuadorianischen Regierung und besonders Außenminister Parra sind keine Experten der öffentlichen und diplomatischen Diskurse", meint Adrian Bonilla von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften. Bereits am 10. Juni hatte Staatssekretär Luis Herreria die politische Entwicklung in Venezuela gebrandmarkt: "Das bolivarianische Projekt von Hugo Chavez ist diabolisch und schrecklich." Chavez blieb die Antwort nicht schuldig: "Das sind Reflexionen eines Ignoranten, um vor dem nordamerikanischen Imperialismus gut dazustehen."

Doch selbst mit den USA legte sich die neue Regierung an, als sie den Sinn der seit Jahren umstrittenen USA-Militärbasis Manta in Frage stellte, dann jedoch an den eigenen Verpflichtungen festhielt. Allerdings weigerte sich Präsident Palacios Mitte Juni, ein Abkommen über die Immunität dort stationierter US-Amerikaner zu unterschreiben. Washington legte daraufhin die jährlich sieben Millionen Dollar umfassende Militärhilfe auf Eis.

Schließlich kennzeichnete Ecuadors Militärchef Manuel Zapater auch noch Peru als "Bedrohung", nachdem dessen Regierung Marineausrüstungen gekauft hatte. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind seit vielen Jahren delikat. Zwar lenkte Palacios jetzt ein und rügte die Bemerkung des Militärchefs, doch offenbarte das nur die Abstimmungsprobleme innerhalb der Regierung.

Der im April nach Massenprotesten abgesetzte Präsident Lucio Gutiérrez will die Situation nun offenbar ausnutzen. Der ehemalige Oberst verließ Anfang Juni sein brasilianisches Asyl und mobilisierte seine Anhänger von Miami aus gegen die Regierung. Die wiederum warf Gutiérrez daraufhin die Destabilisierung des Landes vor und warnte ihn vor einer Rückkehr nach Ecuador. Washington wurde aufgefordert, die politischen Aktivitäten Gutiérrez’ zu unterbinden. Doch gerade erst hatte man den USA das Immunitätsabkommen verweigert… Zwar unterstützen viele Ecuadorianer den rigiden außenpolitischen Kurs ihrer Regierung, doch spätestens Gutiérrez' neues Engagement macht die Nebenwirkungen dieser Politik deutlich.

*Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2005


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