Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ecuador hat wohl beste Regierung seit 100 Jahren"

Rafael Correa hat gute Chancen, am 17. Februar wiedergewählt zu werden. Quito veranstaltet im Dezember Weltfestspiele der Jugend. Ein Gespräch mit Günter Pohl


Günter Pohl ist Publizist und Experte für Lateinamerika. Er gehört dem Parteivorstand der DKP an.

Am 17. Februar wird in Ecuador der künftige Präsident gewählt. Nach den Umfragen dürfte sich Amtsinhaber Rafael Correa erneut durchsetzen. Begrüßen Sie das?

Selbstverständlich! Ecuador gehört den ALBA-Ländern an, das heißt dem fortschrittlichen Block in Lateinamerika. Correa hat der Linken im Lande in ihren ureigenen Themen öffentliches Gewicht gegeben, sei es der Kampf gegen den Neoliberalismus, sei es die Solidarität mit Kuba. Zu nennen ist gewiß auch die Ausarbeitung einer fortschrittlichen Verfassung, womit es wohl die beste Regierung seit den Zeiten Eloy Alfaros ist, vor gut 100 Jahren. Das trägt prominente Gegnerschaft ein, wie aus den USA, die die Opposition finanziell unterstützen.

Andererseits gibt es auch Kritik an seiner Amtsführung, die oft mit seiner Persönlichkeit zu tun hat, manchmal aber auch mit konkreter Politik wie dem ungezügelten Bergbau oder den Belangen der Indigenen. Darin unterscheidet sich Ecuador praktisch nicht von seinen Nachbarn Peru, Chile und Kolumbien. Von rechts her wird grassierende Korruption benannt, wobei der Verlust der eigenen Pfründe wohl der Vater des Gedankens ist.

Was hat die von Correa ausgerufene »Bürgerrevolution« in den vergangenen Jahren konkret für die Menschen in Ecuador gebracht?

Für die armen Bevölkerungsschichten eine gewisse Verbesserung im Zugang zu Gesundheit und Ausbildung; außerdem wurde erheblich in den Straßenbau investiert. Wer aber auch von seiner Politik profitiert, ist das Bürgertum, das auch seine »Alianza PAIS« bei bisherigen Wahlen finanziell und politisch unterstützt hat. Man muß wissen, daß es in Ecuador große soziele Gegensätze zwischen Küstenregion und Hochland gibt. Daher war Correas erste Amtszeit auch von einer Machtfestigung gegenüber den Interessen der Exportindustrie im traditionell konservativ orientierten Guayaquil geprägt.

Verändert ist das Selbstbewußtsein der Menschen: die verhältnismäßig konsequente Außenpolitik, vor allem gegenüber Kolumbien, hat Correa Zuspruch gebracht. Nicht zuletzt gibt es ein Rückholprogramm für die zwei Millionen in den 90er Jahren ausgewanderten Landsleute.

Was unterscheidet ihn von anderen linken Staatschefs in der Region, etwa Venezuelas Präsident Hugo Chávez oder Boliviens Evo Morales?

Correa ist von der Herkunft her Teil der bürgerlichen Klasse; er hat in Belgien studiert. Zum anderen pflegt er – auch im Gegensatz zu Chávez oder Morales – nicht unbedingt die Sprache des Volkes, die im Falle Ecuadors eher nicht konfrontativ, sondern ausgleichend ist. Anderes hat eher mit den unterschiedlichen Bedingungen der drei Länder zu tun: In Ecuador geht es vorwiegend um den Aufbau eines Rechtsstaates. Am Ende der beiden Amtsperioden Correas wird es wie bei Brecht immer noch heißen »Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich«. Aber wenn dann wenigstens nicht mehr gilt, daß recht bekommt, wer Geld hat – dann wäre viel gewonnen. Das ist das Ziel der Bürgerrevolution.

Dieses Mal gibt es für Correa auch Konkurrenz von links, sein einstiger Mitstreiter Alberto Acosta tritt gegen ihn an. Wie bewerten Sie diese Kandidatur?

Acosta genoß eine Zeitlang die Unterstützung u.a. der Friedrich-Ebert-Stiftung; auch NGOs haben sich unverhohlen auf seine Seite geschlagen. Diese Kandidatur wäre weniger interessant, wenn Acosta in der Frage des Bergbaus nicht recht hätte. Er hat allerdings nicht mehr als Außenseiterchancen. Wahrscheinlicher ist eher, daß Correa in einer möglichen Stichwahl auf den Konservativen Guillermo Lasso trifft oder daß er bereits im ersten Wahlgang gewinnt.

Im Dezember ist Ecuador Gastgeber der Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Traditionell engagiert sich Ihre Partei gemeinsam mit der SDAJ stark für diese Festivals. Wird das auch diesmal so sein? Ich gehe davon aus, daß die DKP der SDAJ jede mögliche Unterstützung zukommen lassen wird. Der Jugendverband ist in diesem Jahr besonders stark gefordert, weil er sich auch ein Kuba-Solidaritätsprojekt vorgenommen hat. Deshalb denke ich, daß die Unterstützung der DKP 2013 besonders wichtig ist.

Interview: André Scheer

* Aus: junge Welt, Montag 11. Februar 2013


Zurück zur Ecuador-Seite

Zurück zur Homepage