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Schuld und Schulden

Ecuador stößt Debatte um Ausstände an

Von Harald Neuber *

Ecuadors Regierung hat die Debatte um die Legitimität von Auslandsschulden von Entwicklungs- und Schwellenländern neu entfacht.

Im November veröffentlichte eine staatliche Untersuchungskommission einen 172-seitigen Bericht, der zu einem brisanten Ergebnis kommt: Mindestens 3,8 der gut zehn Milliarden US-Dollar Verpflichtungen seien »illegal und unrechtmäßig« entstanden. Nun will die linksgerichtete Regierung unter Präsident Rafael Correa gegen diese Schulden vorgehen. In den USA bereiten Fachanwälte zahlreiche Klagen vor, unter anderem gegen die Kreditinstitute Citigroup und JP Morgan. Zugleich sollen im eigenen Land die Schuldigen für die Schulden ausgemacht werden.

Bei der Prüfung von Krediten und Staatsanleihen aus den Jahren 1976 bis 2006 stieß die Untersuchungskommission auf zahlreiche Unregelmäßigkeiten. So wurden Kredite weit über dem üblichen Marktniveau vereinbart, Verträge nachträglich zuungunsten Quitos verändert. Zahlreiche Abkommen hätten heutige Gläubiger zudem mit der Militärjunta geschlossen, die von 1974 bis 1979 herrschte. Wer Kredite mit einer demokratisch nicht legitimierten Staatsführung abschließe, der habe einen Rechtsanspruch aber von vornherein verwirkt, sagt Kommissionsmitglied Katerina Saenz. Die damals aufgenommenen Gelder hätten allein den Interessen der Banken gedient, nicht aber zur Entwicklung des Landes beigetragen. Saenz verweist zudem auf die Schuldenfalle: Durch Umschichtung der Ausstände und neue Kreditaufnahmen zur Tilgung alter Schulden seien die Verpflichtungen Ecuadors von 200 Millionen US-Dollar auf heute 11,26 Milliarden angestiegen.

Der Vorstoß Ecuadors könnte für die Gläubiger in den Industriestaaten gefährlich werden, weil er juristisch untermauert ist. Nicht nur die Kommissionsmitglieder sind Kenner der Materie, auch Präsident Correa weiß als renommierter Wirtschaftswissenschaftler, was er tut. Hinzu kommen gute politische Argumente: Nachdem die US-Armee im Jahr 2003 in Irak einmarschiert war, forderte Washington die internationale Gemeinschaft zur Streichung »illegitimer Schulden« auf, die von der Saddam-Führung aufgenommen worden waren. Weshalb, so fragt man in Quito, hat dies nicht auch im Fall südamerikanischer Diktaturen Geltung? Ehemalige Staatschefs, die die umstrittenen Kreditverträge und Staatsanleihen veranlasst haben, sollen deshalb zur Rechenschaft gezogen werden. An oberster Stelle: Christdemokrat Sixto Duran Ballen (1992-1996).

Mitte Dezember wird eine weitere Zinszahlung für Staatsanleihen fällig, die in dem Bericht als illegal eingestuft werden. Spätestens dann wird entschieden, ob die Zahlungen verweigert werden.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Dezember 2008


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