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Schuldenprüfung im Andenstaat

Ecuador setzt Zinszahlungen aus - Ermittlungen gegen Banker erwartet

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Ecuador wird seine Auslandsschulden vorerst nicht zurückzahlen. Am Montag (15. Dez.), als 30,9 Millionen Dollar Zinszahlungen für die Staatsanleihen »Global Bonds 2015« fällig wurden, erklärte Finanzministerin Elsa Viteri ein »technisches Moratorium«.

Bereits am Wochenende hatte Ecuadors Präsident Rafael Correa Zinszahlungen für bis 2012 laufende Staatsanleihen untersagt. Damit setzt Correa die im November vorgestellten Empfehlungen der »Nationalen Kommission zur Schuldenprüfung« um. Ein Großteil der von 1976 bis 2006 aufgenommenen Schulden sei »nicht rechtmäßig und unmoralisch«, so Correa. Stattdessen will er das für den Schuldendienst fällige Geld in das Bildungs- und Gesundheitswesen stecken. Den Gläubigern kündigte er einen Umschuldungsplan »mit großen Nachlässen« an.

Ecuadors Auslandsschulden belaufen sich auf 7,4 Milliarden Euro - das entspricht etwa 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Hinzu kommt die interne Verschuldung von 2,5 Milliarden Euro, die hauptsächlich aus der Refinanzierung der Auslandsschulden resultiert. Über die zu erwartenden Reaktionen der Finanzmärkte macht sich Correa keine Illusionen. »Wir wissen, dass wir es mit wirklichen Monstern aufnehmen, die versuchen werden, unser Land zu zerquetschen«, sagte er. Es sei mit »Klagen, Prozessen und Embargos« zu rechnen, dafür übernehme er persönlich die Verantwortung.

»Das Vertrauen in Ecuador ist zerstört«, fasste Siobhan Morden, Analystin der Royal Bank of Scotland in New York, die Reaktionen an der Wall Street zusammen. So werde das Wachstum des Landes geopfert. Bereits nach der Vorstellung des Berichts der Schuldenprüfungskommission hatten Ratingagenturen, die das Risiko für Anleger abschätzen, die Bonitätsbewertung Ecuadors heruntergestuft.

Der Bericht lässt ahnen, wie sehr die Schuldenverhandlungen der letzten Jahre durch Korruption geprägt waren: Überhöhte Zinsen, irreguläre Abschlüsse und nachträgliche Vertragsänderungen waren an der Tagesordnung - Ergebnis des Drucks durch Banken oder den Internationalen Währungsfonds, aber auch der Komplizenschaft einheimischer Politiker und Banker. Gegen Letztere soll nun die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Anders als das letzte Moratorium 1999 oder jenes in Argentinien zwei Jahre später ist die jetzige Maßnahme nicht das Ergebnis einer »objektiven« Zahlungsunfähigkeit, sondern von langer Hand vorbereitet. Eine derartige »politische Entscheidung erlaubt es, die Beziehungen zu den Finanzmärkten neu aufzubauen«, hofft Correas Ex-Minister Alberto Acosta. »Der Kommissionsbericht war der erste Schritt zur Lösung des Schuldenproblems, nun brauchen wir juristische und politische Antworten.«

Die Regierung wirbt vor allem bei Nachbarstaaten um Verständnis. Unwirsch zeigte sich nur Brasilien, das ein verpfuschtes Staudammprojekt des Baumultis Odebrecht mitfinanziert hatte, worauf Correa eine unabhängige Überprüfung des Kredits beantragte. Auf dem Lateinamerikagipfel, der gerade bei Salvador da Bahia stattfindet, forderten Vertreter der sozialen Bewegungen die Staatschefs dazu auf, die Revision »illegitimer Schulden« in Ecuador zu unterstützen. Paraguay, Bolivien und Venezuela planen ähnliche Prüfungen ihrer Auslandschulden.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Dezember 2008


Correa macht Ernst

Ecuador stoppt Schuldenrückzahlung und dementiert Verhandlungen mit der EU Kurz danach tritt die Außenministerin zurück

Von M. Daniljuk **

Quito. Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa erklärte am Freitag (12. Dez.), dass seine Regierung weitere Auslandsschulden nicht zahlen werde. Zunächst müssten einige Bereiche geprüft werden, bei denen eine Untersuchungskommission Unregelmäßigkeiten festgestellt habe. Aktuell betrifft der Zahlungsstopp eine Rate von 30,6 Millionen USD an den Gläubigerfonds Bonos Global 2012. Die Außenstände belaufen sich alleine bei diesem Fonds auf 3,8 Milliarden USD. Bei den nächsten anstehenden Raten ist in dieser Woche mit ähnlichen Ankündigungen aus Quito zu rechnen. Ecuador ist das erste Land, das sich aus politischen Gründen weigert Schulden zurückzuzahlen.

Die ecuadorianische Regierung hatte im Juli 2007 die "Comisión para la Auditoría Integral del Crédito Público" (CAIC) eingerichtet, um die mit der Auslandsverschuldung zusammenhängenden Geschäftsabschlüsse der Vorgängerregierungen prüfen zu lassen. Die CAIC hatte außerdem die Aufgabe, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Schuldenzahlung zu prüfen. Der Untersuchungsbericht deckte schwerwiegende Unregelmäßigkeiten bei der Aushandlung der internationalen Kredite auf. Untere anderem ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft inzwischen gegen verschiedene ehemalige Amtsträger. Rafael Correa erklärte, die Nachforschungen hätten deutlich ergeben, dass die Schulden "unmoralisch, ein Verrat am Vaterland und klar illegitim" sind.

Die Regierung in Quito will nun eine internationale Kampagne starten, um vor allem andere lateinamerikanische Staaten zu überzeugen, dass auch sie diejenigen Teile der Auslandsschulden, die Unregelmäßigkeiten aufweisen, nicht zurückzahlen werden. Dafür richtete Correa auch einen Appell an die UNO und die internationale Gemeinschaft, seinen Vorschlag für neue Regeln bei der internationalen Kreditvergabe zu unterstützen. Hilfe erhofft sich Ecuador insbesondere von der Gruppe der 77 (G-77), in der 132 Entwicklungsländer zusammenarbeiten.

Keine bilateralen Verhandlungen mit der EU

Nur einen Tag später dementierte Rafael Correa, dass es Verhandlungen zwischen Ecuador und der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen gebe. Mit dieser Erklärung berichtigte der ecuadorianische Präsident eine Meldung der Staatskanzlei, die erklärt hatte, dass entsprechende Verhandlungen vorankommen würden. Nach Ansicht von Correa boykottiert die EU Verhandlungen mit der gesamten Andengemeinschaft, zu der außerdem Peru und Kolumbien gehören, um mit diesen Ländern separate Freihandelsverträge zu erreichen und die Andengemeinschaft zu spalten. Er erinnerte daran, dass Kolumbien und Peru bereits Freihandelsverträge mit den USA unterzeichnet haben. Ähnliche Abkommen mit der EU würden "einen tödlichen Schlag" für die Andengemeinschaft bedeuten.

Am Wochenende erklärte außerdem die ecuadorianische Außenministerin, María Isabel Salvador, ihren Rücktritt. Sie verwies auf familiäre Gründe. Sie dankte Correa dafür, ihr die Möglichkeit gegeben zu haben in seinem Kabinett in verschiedenen Ministerposten arbeiten zu können. Während ihrer Amtszeit im letzten Jahr war María Isabel Salvador unter anderem mit den bilateralen Krisen mit Kolumbien befasst, nachdem die kolumbianische Armee am 1. März dieses Jahres in ecuadorianisches Gebiet eingedrungen war und dort Aufständische aus Kolumbien umgebracht hatte.

Quelle: www.amerika21.de


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